Wie steht es um die Freiheit der Gewaltenteilung in Deutschland?

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Ein Kommentar zum Fall “Klaus Fischer / Sozialgericht Augsburg”

im Beitrag des DVG-Forums vom 20. September 2023.

 

 

 

Von Reiner Korth, Bundesvorsitzender DVG e.V.

 

“Deutschland ist so stolz auf den Leitsatz “wir sind ein freies Land” und auf seine gelebte “Demokratie”. Aber, nach dem Schreiben des Sozialgerichts Augsburg stellt sich die Frage: sind wir wirklich noch so gut demokratisch?  Funktioniert die Unabhängigkeit in der Gewaltenteilung noch in Deutschland überall?  Der Fall “Klaus Fischer” aus der Region Augsburg spricht da eine andere Sprache.

 

Zum besagten Fall: Klaus Fischer fühlt sich zu Unrecht mit zusätzlichen Krankenkassenabgaben belastet. Er legt begründeten Widerspruch bei der Krankenkasse ein. Der Widerspruch wird abgelehnt. Die “Rechtsmittelbelehrung” lautet: “Klage vor dem Sozialgericht Augsburg innerhalb eines Monats ist möglich.”

 

Klaus Fischer klagt, und was passiert jetzt? Der Richter schreibt ihm vorab einen Brief, die Klage werde keinen Erfolg haben. Klaus Fischer wird vom Richter angeraten, ohne ihn auch nur persönlich angehört zu haben, die Klage doch zurückzuziehen. Falls nicht, so würde noch zusätzlich ein Ordnungsgeld fällig.

Eine zurückgezogene Klage, was fast niemand weiß, erscheint natürlich auch nicht in der jährlichen Klagestatistik. Und so kommt es dann, dass der Gesundheitsminister ausführt (so seinerzeit Gesundheitsminister Jens Spahn 2019): “Unsere Statistik gibt das gar nicht her, dass sich so viele Rentner ungerecht behandelt fühlen, so viele Klagen waren im letzten Jahr gar nicht anhängig, so viele Unzufriedene kann es also gar nicht geben!”

So funktioniert das also: Politiker (die Legislative) machen ein schlechtes Gesetz (wie im Falles des GMG – Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 mit Inkrafttreten zum 01.01.2004), die Betroffenen wollen dagegen klagen, die Klage aber wird vorab zurückgewiesen vom Gericht (Jurisdiktion), der Kläger wird zusätzlich noch eingeschüchtert mit der Androhung eines Ordnungsgeldes. Und dann kommt der Minister und sagt: “Unser Gesetz ist doch gut, es liegen keine Klagen vor.” Da ist doch die Gewaltenteilung ad absurdum geführt, möchte ich das nennen.

Muss man sich Sorgen machen um die Unabhängigkeit in der Gewaltenteilung? Wie kann eine unabhängige Rechts-Sprechung auf Dauer funktionieren, wenn der oberste Richter Deutschlands, der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes vor Jahren selbst zwei Legislaturperioden im Bundestag saß? Dieser Richter soll heute beim BVerfG über Eingaben zu Gesetzen entscheiden, über die er vor 10 Jahren selber noch abgestimmt hat.

Da stellt sich dann ganz bestimmt die Frage: Sind da noch persönliche Unabhängigkeit und politische Neutralität gewährleistet? Sind die politischen Verbindungen zwischen Legislative und Jurisdiktion inzwischen so stark ausgeprägt, dass der unabhängigen Gewaltenteilung in Deutschland Schaden droht?

Es ist ein sehr irritierender Zustand, wenn Richter in unserem Land potentielle Kläger unter Androhung von Ordnungsgeldern davon abhalten wollen, ihre Klagerecht auch wahrzunehmen. So gaukelt man den Politikern dann eine heile Welt vor, die real nicht existent ist.”

 

Ein Kommentar von Reiner Korth, Bundesvorsitzender DVG e.V.

Foto: Pixabay

 

Info

Der Fall von “Klaus Fischer” ist auch im Forum der DVG-Homepage nachzulesen:

www.dvg-ev.org/forum/