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Wird der Sozialstaat bewußt demontiert?

Social movement abstract concept vector illustration.

Text: Andreas Reich DVG e.V.       Bild: pixabay

Wenn man die Nachrichten der letzten Tage so liest und die Geschichte der Finanzierung der letzten über 60 Jahre verfolgt, dann heißt das eindeutig „Ja“.

Seit 1957 werden alle Sozialversicherungen für Pflichtversicherte um Billionen (Rentenversicherung) und Milliarden (Krankenkassen) Euro von den Bundesregierungen betrogen. “Versicherungsfremde Leistungen“, die als gesamtgesellschaftliche Leistungen vom Staat den Sozialversicherungen aufgebürdet wurden, wurden und werden nicht vom Staat in vollem Umfang finanziert. Diese gesamtgesellschaftlichen Sozialleistungen wurden und müssen deshalb mit Beitragsgelder der Arbeitnehmer zusätzlich finanziert werden. Das heißt, die Beitragsgelder der Beitragszahler werden zweckentfremdet durch die Sozialversicherungen ausgegeben und damit werden über diesen Konstrukt die Leistungen für die gesetzlich Versicherten de facto gekürzt, z.B. beim Rentenniveau auf 48% liegt, dank der Regierungen seit 1957. Dies und die öffentlichen Diskussionen zeigen, wie hauptsächlich die Rentner in Deutschland  von der Politik zur Finanzierung der “versicherungsfremden Leistungen” benutzt wurden und weiterhin werden. Wie sind die bis Ende 2023 angefallenen, fehlenden über 1 Billion Euro anders zu erklären?

Aber nicht nur in der Rentenversicherung werden Rentner jährlich betrogen, auch werden zusätzliche Einnahmen bei den Rentnern für die Steuer und bei den Krankenkassen abgezogen. So wurde nach einer Nullfinanzierung bei den versicherungsfremden Leistungen im Jahr 2002 (lt. Untersuchung der Hans Böckler Stiftung waren das 22 Mrd. Euro) ein Jahr später auf Grund fehlender Gelder in der Krankenkasse unter Mithilfe des Verbandes der Gesetzlichen Krankenversicherer (GKV) von der SPD-Grünen Regierung mit Beteiligung der CDU das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) beschlossen wurden. Damit wurden auf einmal Kapitallebensversicherungen mit Entgeltumwandlung nachträglich als Betriebsrenten eingestuft. Und obwohl bei diesen Versicherungen keine Gelder durch die Arbeitgeber geflossen sind, so werden sie wie die allgemeinen Betriebsrentner behandelt, die durch Gelder der Arbeitgeber finanziert wurden.

Für Versicherungen, die vor 2004 abgeschlossen wurden wird das Gesetz, § 229 SGB V rückwirkend angewandt, ein Bestandsschutz wie bei der Riester-Rente wurde und wird bei Direktversicherungen nicht gewährt!!!

Doch kommen wir zu den in den letzten Wochen geäußerten Vorstellungen von Regierung, Sachverständigen, Arbeitgeberpräsident, Rentenversicherung und der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm.

Beginnen wir im August:

Der MDR meldet: Falsch berechnete Renten – Wen trifft es am meisten? Hier geht es um die Erhöhung der Beiträge für die Pflegeversicherung, die bei den Rentnern erst nach der Erhöhung der Renten im Juli 2025 erfolgte.
Focus: Gewaltiger Anstieg – Pensionskosten sollen sich mehr als verdreifachen.
Frankfurter Allgemeine: Private Renten-Vorsorge: Sozialverband (SOVD) will Beiträge in gesetzliche Rentenversicherung ermöglichen;
Frankfurter Allgemeine: Rente mit 70 reicht nicht: Wirtschaftsweiser nennt unangenehmen Plan;
T-Online: Ex-Rentenchef warnt vor Systembruch – Eine unterschiedliche Anhebung von Renten sieht der ehemalige Chef der Rentenversicherung als rechtlich bedenklich an. Er spricht eine Warnung aus;
T-Online: (Ein kaputtes System) Warum die Betriebsrente ein radikales Update braucht.
Welt
: DGB-Chefin Fahimi hält den Sozialstaat für finanzierbar und lehnt Leistungskürzungen in Bürgergeld und Renten ab.
Focus: DIW Präsident Fratzscher setzt die „Boomer“ auf die Renten-Anklagebank, aber verschweigt Entscheidendes.
T-Online: (Die Reform des Sozialstaats). Merz will “schmerzhafte Entscheidungen“ treffen.

September:
Der Westen: Am Volk vorbei regieren? Mehrheit will völlig andere Reformen als die Merz-Regierung.
Die Zeit: Bunderegierung will mit neuem Gesetz für mehr Betriebsrenten sorgen
dts-Nachrichtenagentur: Wirtschaftsweise Veronika Grimm fordert tiefgreifende Reformen
gegen-hartz: Beirat will die Rente stark einkürzen
Ruhr24: Rentner ins Pflichtjahr -„Wer Kreuzfahrten macht, kann auch der Gesellschaft helfen“.

Solche und weitere Meldungen erscheinen täglich in der Presse, aber die tatsächlichen Wahrheiten werden verschwiegen oder falsch dargestellt.

Jede Nachrichtenmeldung über die Bezuschussung der Sozialversicherungen verschweigt, dass diese Bezuschussung eigentlich die notwendigen Gelder sind für die Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen. Das sind sozusagen die Beitragszahlungen des Staates für Leistungen, die nicht durch Beitragszahlungen der Verursacher gedeckt sind. Nur leider zahlt der Staat nur einen kleinen Zuschuß, aber nicht in der Höhe der Ausgaben dieser Leistungen, obwohl diese Sozialleistungen von gesamtgesellschaftlichem Interesse seien (Homepage des Bundesgesundheitsministeriums über versicherungsfremde Leistungen).

Ebenfalls wird auf dieser Seite des BMG auch darauf hingewiesen, dass für diese Leistungen jährlich eine Pauschalsumme im Haushalt eingeplant wird. Nur geht diese Pauschalsumme vollständig am Bedarf vorbei, sie ist viel zu niedrig angesetzt.

Zu den “versicherungsfremden Leistungen” gehören Kriegslastenfolgen in der Rentenversicherung,

Schwangerschaft, Mutterschaft sowie die Kosten für die Familienversicherung (wie angehörige Kinder) in der Krankenversicherung.

Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages schreibt in seinen Ausführungen zu den versicherungsfremden Leistungen, dass diese eigentlich komplett aus Steuern zu finanzieren sind.

Viele dieser Ratgeber, die unbedingt in die Sozialsysteme eingreifen wollen, sind als Staatsdiener, Beamte und Abgeordnete tätig und bekommen viele zusätzliche Beihilfen, wie zusätzliches Kindergeld, Zuschüsse zu Arztkosten und die komplette Finanzierung ihrer Pensionen. Wie beteiligen sich diese Personen an der Finanzierung gesamtgesellschaftlichen Sozialaufgaben des Staates? Ich denke, ausser immer neue “Forderungen” aus den Sozialversicherungen beteiligen sich diese Personen überhaupt nicht an der Finanzierung, aber lassen sich ihr eigenes Leben auf Kosten des Staates finanzieren.

Andreas Reich, DVG-e.V.

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