von Reiner Korth 12.12.2025 Foto: pixabay
Riester Rente geschützt – aber bei Direktversicherungen wird abkassiert
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe hat der Allianz Versicherung in einem Urteil vom 10.12.2025 untersagt, in alten Verträgen “einer fondsgebundenen Rentenversicherung”, sogenannte Riester Rentenverträge, “nachträglich eine Herabsetzung der monatlichen Rente” vorzunehmen (Az. IV ZR 35/25).
Der BGH begründet die Unwirksamkeit eines solches Vorgehens mit Verstößen gegen §307 BGB und § 308 BGB. Insbesondere § 307 BGB verlangt, “Bestimmungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen”. Wie BILD online am 10.12.2025 berichtet, hat “die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Klage angestoßen”. Der Bund der Versicherten “geht davon aus, dass bis zu eine Million Riester-Verträge (auch) anderer Versicherer” betroffen sein werden.
Sind Direktversicherungen “Altersvorsorge zweiter Klasse”?
Eine einseitige “nachträgliche Kürzung” der Riester Rentenverträge wurde also der Versicherungswirtschaft vom BGH untersagt. Völlig anders ist jedoch die Situation dagegen bei den Verträgen einer Direktversicherung zur Altersvorsorge, zum Teil auch ebenfalls abgeschlossen bei der Allianz Versicherung. Hier fühlt sich nicht der BGH zuständig, sondern das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Und dieses Gericht hat seinerzeit geurteilt, den Krankenkassen sei es erlaubt, auch “nachträglich” auf alte Sparverträge, abgeschlossen vor 2004, Krankenkassenbeiträge zu erheben, was ebenfalls eine “nachträgliche Kürzung” der Auszahlung bedeutet. Da fragt sich der Laie, sind also Direktversicherungen, abgeschlossen über den Arbeitgeber, dann Verträge zweiter Klasse? Dürfen Versicherungsverträge einer Direktversicherung einfach so nachträglich mit Krankenkassenbeiträge belegt werden, was einer Kürzung der Auszahlung um ca. 20% entspricht? Bei Riester Verträgen dagegen ist das verboten?
Zwei Mal Verträge der Altersvorsorge – aber zwei verschiedene Gerichte urteilen
Wenn also die Versicherungswirtschaft in ihren Altersvorsorgeverträgen Klauseln anwendet, die eine “nachträgliche Herabsetzung”, sprich eine Kürzung der Auszahlung zulassen, dann werden diese vom BGH für unwirksam erklärt.
Wenn dagegen die Krankenkassen “nachträglich” auf alte Verträge eine Beitragszahlung einfordern, was ebenfalls einer “Kürzung der Auszahlug” entspricht, dann ist das BSG in Kassel zuständig. Und dieses hat u. a. festgestellt, daß ein ausdrückliches Rückwirkungsverbot im Sozialrecht nicht erkennbar sei. Da fragt sich der Versicherte zu Recht: warum wendet nicht auch das BSG den § 307 BGB an und verweist darauf, daß der Versicherte entgegen den Geboten von Treu und Glauben nicht unangmessen benachteiligt werden darf?
Gelten die Bestimmungen des Verbracherschutzes nicht für den Staat?
Es scheint so, daß der Staat mit zweierlei Maß mißt. Die Gerichte wachen sehr penibel darüber, daß die Gesetze zum Verbraucherschutz in der freien Wirtschaft konsequent eingehalten werden. Für staatliche Institutionen, wie z. B. die Krankenkassen gelten offensichtlich die Regeln zur Einhaltung der Verbraucherschutzbestimmungen nicht. Hier wird dem Staat in großzügiger Weise erlaubt, gegen den Verbraucherschutz zu verstoßen. Sind die Sozialgerichte damit nachsichtiger gegenüber staatlichen Handelns als der BGH? Der Bürger kann die Unterschiede nicht mehr erkennen. Beliebigkeit tritt an die Stelle von Treu und Glauben. Das Vertrauen in verläßliches staatliches Handeln hat weiteren Schaden genommen. Vom Staat geförderte Direktversicherungen sind gegen “nachträgliche Kürzungen” durch denselben Staat nicht geschützt. Diese Form der Benachteilgung in einer Zweiklassengesellschaft wird von den Direktversicherten als ganz große Ungerechtigkeit wahrgenommen.
