Das „Nein“ von Angela Merkel und Olaf Scholz wirken in CDU und SPD nach. Mit ihrem “Nein” zur Abschaffung der Doppelverbeitragung von Direktversicherungen und Betriebsrenten sabotieren sie aber die Altersvorsorge von Millionen. Deswegen sind am 26. Oktober Tausende auf die Straße gegangen. Haben beide etwas dazu gelernt?
Eben jene Parteien haben die Bürger in den 80er und 90er Jahren animiert, fürs Alter vorzusorgen und beispielsweise über ihren Betrieb eine Direktversicherung abzuschließen. Millionen sind diesem Ruf gefolgt und haben über Jahre, viele sogar über Jahrzehnte brav in eine Kapitallebensversicherung eingezahlt. Bei der Auszahlung erleben sie ihr blaues Wunder, weil die Krankenkasse annähernd ein Fünftel kassiert. Die Altersvorsorger wollten mit ihrer Direktversicherung die drohende Rentenlücke füllen. Denn eben jene Politiker haben ihnen erzählt, dass die gesetzliche Rente nicht reichen wird.
So sabotieren Politiker die Altersvorsorge
Das „Westfalen-Blatt“ hat es einmal vorgerechnet:
„Wer beispielsweise von der Lebensversicherung 100 000 Euro ausgezahlt bekommt, muss davon über zehn Jahre mehr als 18 000 Euro an seine Kranken- und Pflegekasse zahlen – Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil plus Zusatz- und Pflegebeitrag.“ Da bleibt natürlich von der Rendite nichts mehr übrig – ein Minus-Geschäft. Das Perfide daran, die Zahlung wird auf zehn Jahre gestreckt, so dass aus den 18 000 Euro wegen Beitragserhöhungen schnell 19 000 oder 20 000 Euro werden können. So wurde der Pflegebeitrag beispielsweise am 1. Januar 2019 um 0,5 Prozent auf 3,05 Prozent (3,3 Prozent für Kinderlose) erhöht. Das wird nicht die letzte Beitragserhöhung gewesen sein.
Das „Westfalen-Blatt“, das seinen Artikel mit “Retten Sie meine Altersvorsorge?” überschrieb, hat im vergangenen Jahr aus Anlass eines Besuchs bei den drei Bielefelder Bundestagsabgeordneten Britta Haßelmann (Grüne), Wiebke Esdar (SPD) und Friedrich Straetmanns (Linke) in Berlin den Test gemacht und fragte die Drei: Unterstützen Sie eine Gesetzesänderung, oder finden sie die Regelung in Ordnung?
Grüne und SPD halten die Betroffenen hin, denn getan hat sich seitdem nichts. Ist irgendetwas passiert? Hat der Protest des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) etwas bewirkt? In Bielefeld, wie in 18 anderen Städten, ging der DVG auf die Straße. „Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2004, beschlossen von der damaligen rot-grünen Koalition, hat dazu geführt, dass bei Auszahlungen von Direktversicherungen der doppelte Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag von insgesamt annähernd 20 Prozent an die gesetzliche Krankenkasse gezahlt werden muss – und zwar rückwirkend für Verträge, die vor dem Jahr 2004 geschlossen wurden“, sagt der Bielefelder Vereinssprecher Wolfgang Diembeck. Die Politik habe seit 15 Jahren tatenlos zugeschaut und nicht gehandelt. Betroffen seien auch die Jungen, die sich jetzt um ihre zusätzliche Altersversorgung kümmern sollen. Nach wie vor würden viele Menschen von der Regelung „böse erwischt“.
Die Politiker halten die Bürger hin und führen sie an der Nase herum. Aber was sagen die Drei?
Das „Westfalen-Blatt“ hat nachgehakt:
Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen):
„Der Unmut der Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner ist absolut nachvollziehbar. Das Anliegen, Betriebsrenten von der Beitragspflicht in der Gesetzlichen Krankenkasse auszunehmen, habe ich auch in Bürgergesprächen mit Betroffenen diskutiert. Wir setzen uns als Grüne für eine Verbesserung der jetzigen Situation ein und wollen wenigstens einen Teil der Betriebsrentenzahlungen durch einen Freibetrag in Höhe von etwa 150 Euro von der Beitragspflicht ausnehmen … Uns ist bewusst, dass das nur eine ›kleine Lösung‹ ist …
Dr. Wiebke Esdar (SPD):
„Ich werde mich weiter dafür einsetzen, die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten abzuschaffen. Dazu hatte ich erst im September ein Gespräch in Senne mit dem regionalen Netzwerk der Direktversicherungsgeschädigten. Denn unter der Doppelverbeitragung leiden Millionen von Menschen. Deshalb soll erstens für Betriebsrenten künftig nur noch der halbe Krankenkassenbeitrag erhoben werden – genau wie bei der gesetzlichen Rente. Und wir müssen zweitens gerade Bezieherinnen und Bezieher kleiner Betriebsrenten entlasten. Dazu müssen wir einen echten Freibetrag einführen statt der jetzigen Freigrenze. Zudem wollen wir das über die Beiträge finanzieren, denn die Krankenkassen haben über 20 Milliarden Euro Überschüsse. Für mich misst sich die Halbzeitbilanz der großen Koalition auch daran, ob wir die Doppelverbeitragung noch vor Jahresende abschaffen …“
Friedrich Straetmanns (Die Linke):
„Die Linke fordert seit langem die Abschaffung der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten. Unser Antrag hierzu liegt seit langem vor und wurde bereits sechsmal von der Tagesordnung des zuständigen Ausschusses von der Regierungsmehrheit genommen. Wir bleiben am Thema dran und unterstützen alle Initiativen, die in die richtige Richtung gehen. An der Finanzierung darf dies eminent wichtige Thema nicht scheitern.“
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Bild von Bruno Glätsch auf Pixabay