trostpflaster

Gesundheitsminister Jens Spahn verpasst den Direktversicherte mit dem Freibetrag von 159 Euro ein Trostpflaster und hofft, dass sie Ruhe geben. Dabei ist es nur ein fauler Kompromiss.

Die Politiker glauben, mit der Koalitionsvereinbarung zur Grundrente, die auch eine Passus enthält, die Betriebsrenten und Direktversicherungen betrifft, würde Ruhe einkehren, dann sollte ihnen klar sein, dass sie sich getäuscht haben. Denn jetzt fangen Millionen das Rechnen an.

„Seit Jahren wird erbittert gerungen zwischen Krankenkassen-Mitgliedern im Ruhestand und Politikern“, schildert die „Wirtschaftswoche“ den Streit, den der Verein der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) vorantreibt. Es gehe um hohe Kassenbeiträge auf Betriebsrenten und Direktversicherungen. Die Betroffenen zahlen den doppelten Krankenkassenbeitrag plus Zusatz- und Pflegebeitrag, alles in allem annähernd 20 Prozent – und das, obwohl vielen bereits „im Berufsleben bis zur Beitragsbemessungsgrenze in die gesetzliche Krankenkasse gezahlt hatten“, wie die „Wirtschaftswoche“ konstatiert. Als Rentner schmälere der Abzug dann erneut die Rentenauszahlung fast um ein Fünftel.

Nur ein Trostpflaster

Die DVG-Mitglieder sind wütend, weil sich bis vergangenem Sonntag nichts getan hat – und jetzt kommt dieser faule Kompromiss, gedacht als Trostpflaster für die Betroffen. Die Politiker glauben wohl, dass viele jetzt Ruhe geben. Politikerinnen wie Malu Dreyer (SPD) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) scheinen das nicht zu begreifen. Wie sonst ist zu begreifen, dass sie sich hinstellen und der Öffentlichkeit dieses Trostpflaster als Allheilmittel für die betriebliche Altersvorsorge verkaufen? Was viele ärgern wird, dass die Groko diese mickrige Erleichterung im Kompromiss zur Grundrente „versteckt“ hat, wie es die „Wirtschaftswoche“ formuliert.

Jeder sollte sich das Video der Pressekonferenz zu Grundrente und betrieblicher Altersvorsorge anschauen. Ab Minuten 13:55 geht es um Direktversicherung und Betriebsrente. Kramp-Karrenbauer drückt sich so verschwurbelt aus, dass es nur Insider kapieren, Malu Dreyer ist das Thema kein einziges Wort wert – und Markus Söder (CSU) hat mit seiner bayerischen Regierung eine Initiative im Bundesrat zur Abschaffung der Doppelverbeitragung eingebracht, worüber er in dieser Pressekonferenz ebenfalls kein Wort verloren hat.

Direktversicherung? Entlastung? Alles klar?

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Video der Pressekonferenz zu Grundrente und Entlastung bei Direktversicherungen

Kaum war das Thema Freibetrag ausgesprochen, legte Gesundheitsminister Jens Spahn nach und kam mit dem Vorschlag, die Kassenbeiträge der Direktversicherten in der Auszahlphase von 155,75 Euro auf 159 Euro anzuheben und diese Minimal-Erleichterung bereits Anfang 2020, statt Anfang 2021 einzuführen. Am Dienstag hat Spahn den Fraktionen dafür eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge vorgelegt. Damit will der Minister das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge stärken.

Wer fürs Alter vorsorgt, darf nicht der Gekniffene sein. Daher setzen wir die Senkung der Kassenbeiträge zur Betriebsrente nun zügig zum 1. Januar 2020 um. Das Drittel der Betriebsrentner mit kleinen Betriebsrenten zahlt gar keinen Beitrag, ein weiteres knappes Drittel zahlt maximal den halben Beitrag und das gute Drittel mit höheren Betriebsrenten wird auch spürbar entlastet. Alle Betriebsrentner haben also was davon. Das ist auch ein wichtiges Signal für die junge Generation: Es lohnt sich, privat vorzusorgen.

Was heißt das konkret: Wer beispielsweise bei der Techniker Krankenkasse versichert ist, zahlt zurzeit 18,35 Prozent (Kinderlose mehr). Bezogen auf einen Freibetrag von 159 Euro sind das monatlich 29,17 Euro. Bezogen auf die ganze 10jährige Beitragspflicht entspricht das einer Ersparnis von 3501,18 Euro. Wer als mehr als 19 080 Euro von seiner Direktversicherung ausbezahlt bekommen hat, zahlt auch künftig doppelte Krankenkassenbeiträge. Mit 19 080 Euro kommt ein Rentner allerdings nicht weit. Die Lücke bei der gesetzlichen Rente lässt sich damit nicht schließen.

Wer fürs Alter vorsorgt, darf nicht der Gekniffene sein. Daher setzen wir die Senkung der Kassenbeiträge zur Betriebsrente nun zügig zum 1. Januar 2020 um. Das Drittel der Betriebsrentner mit kleinen Betriebsrenten zahlt gar keinen Beitrag, ein weiteres knappes Drittel zahlt maximal den halben Beitrag und das gute Drittel mit höheren Betriebsrenten wird auch spürbar entlastet. Alle Betriebsrentner haben also was davon. Das ist auch ein wichtiges Signal für die junge Generation: Es lohnt sich, privat vorzusorgen.

159 Euro sind eher Krümel

159 Euro sind aber eher Krümel, denn wer eine armutsfeste Betriebsrente hat, liegt deutlich über diesen 159 Euro monatlich. Was es mit den 159 Euro auf sich hat, erklärt der Rentenexperte Matthias Birkwald von der Partei “Die Linke”:

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass bereits ab dem 1.1.2020 Betriebsrenten und Direktversicherungen nicht mehr voll verbeitragt werden. Aus der heutigen Freigrenze soll ein Freibetrag werden. Von der Betriebsrente oder der Direktversicherung wird dann künftig ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße, aktuell 155,75 Euro (2020: 159,25 Euro), abgezogen und nur der Rest verbeitragt werden.
Die Bezugsgröße ist eine dynamische Größe. Sie wird aus dem Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern des vorvergangenen Jahres (für 2019 also aus 2017) ermittelt. Sie beträgt im Jahr 2019 37.380 Euro. Monatlich sind das 3115 Euro.
Menschen mit Betriebsrenten und Direktversicherungen von weniger als 311,50 Euro werden also künftig faktisch weniger als den halben Beitragssatz zahlen müssen. Und selbst Betriebsrenten und Direktversicherungen von 465 Euro werden noch um ein Drittel des Beitrages entlastet werden.
Fazit: Das ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt – vor allem für Menschen mit kleinen Betriebsrenten und Direktversicherungen.
Um aber bei allen Betroffenen – auch bei den Jüngeren – wieder Vertrauen in die betriebliche Altersversorgung zu schaffen, fordert “Die Linke”:
  • Auch für Betriebsrenten und Direktversicherungen über dem zukünftigen Freibetrag von 159,20 Euro soll künftig nur noch der halbe Beitragssatz gelten!
  • Und für all jene Direktversicherten, denen von Horst Seehofer (CSU) und Ulla Schmidt (SPD) rückwirkend viel Geld abgenommen wurde, fordern wir LINKEN, alle vor 2004 abgeschlossenen Direktversicherungen künftig komplett von Kranken- und Pflegekassenbeiträgen freizustellen! Das wäre ein fairer Ausgleich für 16 Jahre Abzocke!
  • Außerdem werden wir uns dafür einsetzen, dass der Freibetrag auch für die Pflegeversicherung gelten muss.

 

Kalkulation für Altersvorsorger

Den jetzigen Einzahlern in eine betriebliche Altersvorsorge ist zu empfehlen, nicht mehr als 50 Euro monatlich einzuzahlen, denn alles, was darüber hinaus geht, wird ihnen von Staat und Krankenkassen im Alter wieder abgenommen. Da helfen auch die schönen Rechnungen von Allianz & Co. nichts. Die Versicherer verschweigen nämlich, dass in der Auszahlphase der dicke Hammer kommt und die Altersvorsorger ihr blaues Wunder erleben. Ganz abgesehen davon reduziert jeder in eine Direktversicherung eingezahlte Euro die gesetzliche Rente.

Warum 50 Euro?

19 080 ./. 35 Jahre à 12 Monate = 45,42 Euro
aufgerundet ergibt das 50 Euro. Die 35 Jahre sind die Voraussetzung für die Grundrente.

Reaktionen

 

Collage: Bild von Ulrike Leone auf Pixabay/ Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay