Lebensplanung

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt – so geht’s allen, die per Direktversicherung fürs Alter vorsorgen, um dann vom Staat geschröpft zu werden. Der hat ihre Lebensplanung einfach über den Haufen geworfen und wundert sich, dass die Betroffenen wütend sind.

Ex-Vorstandsmitglied der Bertelsmann BKK und DVG-Mitglied Wolfgang Diembeck zur Problematik der Direktversicherungen im Hinblick auf das Problem der Altersarmut – im Interview mit der Bertelsmann-Stiftung im Blog Wegweiser-Kommunen.

Staat torpediert Lebensplanung

1.      Was ist das Problem, das den DVG zu seiner Initiative bewogen hat?

Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) von 2004, der damaligen rot-grünen Koalition, hat dazu geführt, dass bei Auszahlungen von Direktversicherungen der doppelte Kranken- und Pflegeversi­cherungsbeitrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) von insgesamt knapp 20 Prozent an die gesetzliche Krankenkasse ent­richtet werden muss – und zwar auch rückwirkend für Verträge, welche vor 2004 ab­geschlossen wurden. Der Staat hat durch den Eingriff in die laufenden Direktversicherungsverträge den prognostizierten Kapitalertrag erheblich reduziert. Es gab keine Übergangslösung und es gab keine Ausstiegsmöglichkeit aus diesem Vertrag. Der Staat hat durch dieses Vorgehen elementare Rechtsgrundsätze des Rechtsstaates verletzt.

2.     Wie lauten denn die Forderungen des DVG?

Der Verein fordert den sofortigen Stopp der Mehrfachverbeitragung und eine finanzielle Entschädigung für die Betroffenen, in deren Verträge mit dem GMG rückwirkend eingegriffen wurde.

Die aktuellen Gespräche mit den Bundestagsabgeordneten zeigen uns, dass den Abgeordneten die tatsächlichen Auswirkungen des Gesetzes nicht bekannt waren und sind und es zeigt sich auch, dass eine ordnungsgemäße und angemessene Beratung zu diesem Gesetz im Jahr 2003 nicht stattgefunden hat. Der Verwaltungsrat des GKV Spitzenverbandes hat die Änderungsnotwendigkeit bereits im August 2018 bestätigt. Insofern gibt es infolge unserer Gespräche deutliche Zustimmung zur Notwendigkeit der Korrektur dieses Gesetzes. Momentan erarbeitet die GroKo Lösungsansätze und wir gehen davon aus, dass diese noch in diesem Monat von der Regierung präsentiert werden.

3.     Sind es denn nicht eher Kleinbeträge?

Eine Reduzierung des Auszahlungsbetrages um rund 20 Prozent kann man nicht als Kleinbetrag bezeichnen. Im Mittel betragen die Kapitalauszahlungen 30.000 Euro, so dass die Belastung bei rund 6.000 Euro liegt. Auch unter Berücksichtigung der Effekte in der Einzahlungsphase (weniger Beiträge an die Sozialversicherung und Steuereinsparungen) reduziert sich der Kapitalertrag am Ende auf wenige Euro. Jede andere Geldanlage hätte zu einem besseren Ergebnis geführt.

Bei den neuen Verträgen verschärfen natürlich die gesunkenen Kapitalmarktzinsen dieses Problem noch weiter.

4.    Ist es nicht sozial gerecht, wenn Direktversicherte  mehr bezahlen?

Es kommt bei der Auszahlung der Direktversicherung zu einem Geldzufluss, weil diese Personen aus ihrem privaten Geldbeutel Geld für die zusätzliche Altersvorsorge entnommen haben.  Insofern sollten wir an dieser Stelle keine Gerechtigkeitsdiskussion führen, sondern es geht bei unseren Mitgliedern um Menschen, die frühzeitig dem Aufruf der Politik gefolgt sind, zusätzlich etwas für die Altersvorsorge zu tun. Diese Menschen haben darauf vertraut, dass das eingezahlte Geld einigermaßen verzinst zu Beginn des Ruhestandes ausgezahlt wird. Das war der Inhalt des Vertrages. Die durch die Politik vorgenommene Kürzung um rund 20 Prozent hat erheblichen Einfluss auf die finanzielle Situation dieser Menschen im Ruhestand.  

5.     Gibt es Daten über das Ausmaß der Betroffenheit?

Es gibt keine offiziellen Statistiken zu diesem Bereich. Die Statistiken der Lebensversicherer deuten aber darauf hin, dass es rund sechs Millionen Menschen gibt, die von dieser Problematik betroffen sein werden. Rechnet man die von der Erhöhung der Beitragslast betroffenen Betriebsrentner hinzu, kommt man auf 18 bis 20 Millionen betroffene Personen.

Momentan haben rund 2,5 Mio. Menschen die Auszahlung der Direktversicherung erhalten und jedes Jahr kommen rund 250.000 Menschen dazu. Das Thema bleibt also dauerhaft erhalten und damit auch die „Politikverdrossenheit“, wenn Politik die Rechtsgrundlagen nicht ändert.

6.     Wie hoch wäre die Belastung des Bundeshaushaltes?

Die Beitragseinnahmen aus dem Bereich „Kapitalauszahlung der Direktversicherung“ liegen zwischen 0,6 bis 0,7 Milliarden Euro im Jahr. Wenn wir über die Korrektur der Vergangenheit reden, dann geht es um eine Entschädigung von rund zehn Milliarden Euro. Es geht aber nicht darum, diesen Betrag sofort zurückzuzahlen, sondern hier kann man über verschiedene Modelle der Rückabwicklung miteinander verhandeln.

In diesem Zusammenhang muss man aber auch ansprechen, dass der Bund sich seit 2005 der Ausgaben für die Krankenversicherung für die Arbeitslosengeld II-Bezieher entledigt und auf die Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenversicherung verlagert hat, ohne diese auch nur annähernd kostendeckend zu finanzieren. Hier geht es um einen jährlichen Fehlbetrag von rund zehn Milliarden Euro. Die Halbierung der Beitragslast für Versorgungsbezüge für die Zukunft würde zu einem Beitragsausfall in der GKV von jährlich rund 2,8 Milliarden Euro führen. Wenn der Bund die auf die GKV abgewälzten Leistungsausgaben auskömmlich finanzieren würde, die Mittel des Gesundheitsfonds sowie der GKV auf das gesetzlich vorgesehene Maß reduziert würden, wäre das Gesamtpaket sogar ohne Beitragserhöhungen zu schultern.   

7.     Was bringt eine Mitgliedschaft Im DVG?

Es hat seit 2004 sehr viele Gespräche zwischen einzelnen Bürgern und Politikern gegeben, in denen diese Ungerechtigkeit thematisiert wurde. Leider haben all diese Gespräche bei der Politik nichts bewirkt. Seit der Gründung des Vereines werden wir von der Politik wahrgenommen und wurden beispielsweise zur Anhörung in den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages eingeladen. Es zeigt sich also auch hier, dass Politik nur dann reagiert, wenn eine größere Anzahl von Wählern als Potential erkennbar ist. Unsere Mitglieder werden wöchentlich durch einen Newsletter über die Aktivitäten des Vereines bzw. der Arbeitsgruppen informiert. Wir berichten auch über die aktuellen Gespräche mit der Politik, über die bundesweiten Medienberichte, über Gerichtsentscheidungen etc., so dass die Mitglieder immer auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen zu diesem Themenbereich sind. Wir liefern das alles für einen Jahresbeitrag von 36 Euro, da alle Personen, die für den Verein tätig werden, dieses ehrenamtlich tun.  

8.     Sie stellen Empfehlung zur Vorsorge in Frage.

Wir stellen nicht die Notwendigkeit der zusätzlichen Altersvorsorge in Frage, sondern wir stellen den Durchführungsweg in Form der Direktversicherung bei der momentanen Rechtslage in Frage. Zusätzliche Altersvorsorge erstreckt sich immer über einen längerfristigen Zeitraum und wir kritisieren, dass Politik während dieses Zeitraumes die „Spielregeln“ geändert und dieses dazu geführt hat, dass das bei Vertragsabschluss prognostizierte Ergebnis erheblich verschlechtert wurde. Wären diese „Spielregeln“ dem Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss bekannt gewesen, wäre es nicht zu dem Vertragsabschluss gekommen. Insofern erreichen wir mit unseren Aktivitäten, dass junge Menschen bei der Planung der zusätzlichen Altersvorsorge sehr genau prüfen, welches der richtige Weg ist.

9.     Was würden Sie dem Nachwuchs in punkto Altersvorsorge empfehlen?

Das ist eine momentan sehr schwer zu beantwortende Frage.  Die Direktversicherung kann man bei der momentanen Rechtslage nicht empfehlen. Nur dann, wenn der Arbeitgeber sich mit rund 50 Prozent an den Kosten beteiligen würde, könnte man diese empfehlen. Vor kurzer Zeit wurden die Rahmenbedingungen zur „Riester-Rente“ überarbeitet. Das voraussichtliche Ergebnis ist allerdings immer noch sehr schwer verlässlich zu prognostizieren, da es sehr stark von der aktuellen und der zukünftigen individuellen Situation des Einzelnen abhängt. Allein die bisher vorgenommenen Änderungen oder der noch erkennbare Änderungsbedarf machen deutlich, dass eine langfristige verlässliche Planung der zusätzlichen Altersvorsorge sehr schwer ist. Das bisherige Handeln der Politik verunsichert jeden, der etwas für die zusätzliche Altersvorsorge tun möchte. Politik muss bei diesem langfristigen Thema auch langfristig für den Bürger verlässlich sein. Verloren gegangenes Vertrauen lässt sich nicht mit einem „Fingerschnipp“ wieder zurückgewinnen.

Schluss mit der Sabotage der Altersvorsorge!

Unsere Position: Wofür der DVG steht! 

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