Die Farbe Pink dominierte zwei Stunden lang auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. Der Verein der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) hatte über hundert Mitglieder zusammen getrommelt, um die Ampelkoalitionäre an ihre Wahlkampf-Versprechen zu erinnern.
von Reiner Wellmann
„SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat uns vor der Wahl in Münster versprochen: ,Die Doppelverbeitragung wird abgeschafft‘. Ein sofortiger Beitragstopp muss jetzt in den Koalitionsvertrag“, forderte Reiner Korth, stellvertretender DVG-Bundesvorsitzender, vor dem Brandenburger Tor.
Der DVG erregte viel Aufmerksamkeit mit Transparenten, auf denen die künftigen Koalitionsführer Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck im Rentneralter mit Bärten und Falten dargestellt wurden. „Mit Rente seht ihr ganz schön alt aus“ – stand auf den Transparenten. Ein mehr als dezenter Hinweis darauf, dass die im Alter gut versorgten Politikerinnen und Politiker sich einmal in die Lage des deutsches Durchschnittsrentners versetzen sollten.
Pink zieht bei Schülerinnen
Immer wieder hielten Passanten an diesem wunderschönen Herbsttag an und ließen sich von DVG-Mitgliedern erläutern, welchen Hintergrund ihre Aktion hat. Zwei junge Schülerinnen, die mit einer Schulgruppe in Berlin besuchten, waren von den pinken DVG-Shirts so begeistert, dass sie sich gleich mit etlichen Stücken für ihre Gruppe versorgten und sie direkt überstreiften. Die DVGler gaben die pinken Westen gerne heraus, denn als nächstes stand für besagte Schüler ein Gespräch mit der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Eskens an. Fein, dass die jungen Leute das Thema direkt in die SPD-Parteizentrale getragen haben.
Wie uns Lobbyisten enteignen
Einen beeindruckenden Auftritt hatte der Gründer des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten und heutige Ehrenvorsitzende Gerhard Kieseheuer. „Wir demonstrieren heute nicht nur gegen Altersarmut, Not und Verzweiflung. Wir weisen die Koalitionäre deutlich auf ihr Versprechen hin, diesen Betrug an uns Rentnern zu beenden und die Doppelverbeitragung abzuschaffen“, sagte Kieseheuer. Besonders erinnerte er den designierten Kanzler Olaf Scholz an sein in Münster gemachtes Versprechen: „Darauf können Sie sich verlassen“.
Kieseheuer sprach Klartext, als er einen sehr persönlich gehaltenen Rückblick auf die vergangenen eineinhalb Jahrzehnte hielt. „Altersarmut, Not und Verzweiflung wurden absichtlich hervorgerufen durch Lobbyisten, als Seilschaften von Krankenkassen, Politikern und dem 12. Senat des Bundessozialgerichts. Der mit einer Gesetzesänderung des Paragrafen 229 im Sozialgesetzbuch V ermöglichte Betrug werde von fast allen Bundestagsabgeordneten akzeptiert, für richtig befunden und immer wieder bestätigt. „Die Krankenkassen betrügen, das Bundessozialgericht urteilt dass es rechtens ist, und die Volksvertreter kümmern sich nicht ums Volk, sondern begrüßen die Einnahmen der Krankenkassen“, lautete Kieseheuers bitteres Fazit.
Altersvorsorge – ein Minusgeschäft
Die bisherige Rechtsprechung dazu bezeichnete der DVG-Ehrenvorsitzende als „perfektes Verbrechen“. Es könne nicht sein, dass die Politik die Renten immer mehr zurückfahre, auf die notwendige zusätzliche Altersvorsorge hinweise und diese zusätzliche Vorsorge derartig schlecht ausrichte, „dass sie zu einem Minusgeschäft für den Arbeitnehmer wird, dass man mehr einzahlt als man ausgezahlt bekommt“.
Den Politikern, die diese Unrecht hinnähmen, fehle nicht nur der Respekt vor der Lebensleistung eines jeden Arbeitnehmers, es fehle ihnen auch die soziale Verantwortung. Gerade die CDU habe das jetzt schmerzhaft zu spüren bekommen: „Die CDU ist weg“, so Kieseheuer wörtlich und unter dem lauten Beifall der Demonstranten.
Licht am Ende des Tunnels?
Gibt es nach den Versprechen von SPD und FDP in den Wahlprogrammen nun Licht am Ende des Tunnels? Ja, wenn man den Worten des stellvertretenden sächsischen FDP-Vorsitzenden Philipp Hartewig glauben darf. „An unserer Position hat sich nichts geändert“, sagte Hartewig in einer Ansprache. „Die Frage der Gerechtigkeit und des Vertrauens in staatliches Handeln ist gerade auch für die kommenden Generationen eine ganz wichtige Frage ist“, sagte der 27-Jährige. „Ich werde das Thema weiter tragen und ich hoffe, dass es dann in den nächsten Tagen etwas zu berichten gibt“, sagte er unter Hinweis auf die jetzt in die finale Phase gehenden Koalitionsverhandlungen.
Von der SPD-Bundestagsfraktion stellte sich Anke Hennig, Abgeordnete aus dem Osnabrücker Land, den DVGler. „Das Vertrauen ist weg, gerade bei den jungen Leuten“, erläuterte Reiner Korth der Abgeordneten. Und er bat sie darum, ihren Einfluss geltend zu machen, dass Olaf Scholz sein in Münster gemachtes Versprechen nun auch umsetze: „Sie haben im Wahlkampf mit Respekt geworben, wir haben Ihnen vertraut. Bitte zollen Sie unserem Anliegen jetzt auch Respekt und schaffen Sie die Doppelverbeitragung ab!“ Hennig machte den Anwesenden Mut. Olaf Scholz werde sich sicher an seine in Münster gemachten Zusagen erinnern, sagte sie unter dem Beifall ihrer Gesprächspartner. Noch mehr Grund für die Direktversicherungsgeschädigten, das Geschehen in Berlin in den nächsten Tagen und Wochen ganz genau zu verfolgen!