Die Deutschen sollen bis 70 Jahre arbeiten, fordern einige Ökonomen. Einige Zeitungen plappern das nach, ohne zu hinterfragen. Dagegen wendet sich Gerhard Müller-Dorn.
von Gerhard Müller-Dorn
Da im „Mannheimer Morgen“ schon mehrfach Artikel zum Thema Rente mit 70 veröffentlicht wurden, in denen wechselweise oder auch gemeinsam die Herren Stefan Kooths und Raffelhüschen „zitiert werden“, ohne dass auch nur ein neues oder gar stichhaltiges Argument vorgetragen wird/wurde, ist es an der Zeit, dass endlich die tatsächliche Situation aufgezeigt wird.
Rente mit 70 – es geht auch anders
Denn den Herren Stefan Kooths, vom Institut für Weltwirtschaft, neben Bund und Land reichlich mit Mitteln aus der Industrie bedacht, sowie dem Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen, welcher gleich in mehreren Aufsichtsräten unterschiedlicher Unternehmen sitzt und gegenüber Politik und Öffentlichkeit als Lobbyist für die INSM auftritt (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH, eine im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete Gesellschaft), muss wohl jegliche Objektivität abgesprochen werden.
2020 betrugen die Beiträge in die Rentenkasse 252 Milliarden, wovon lediglich 174 Milliarden Euro an die Rentner ausgezahlt wurden. Eine Differenz von 78 Milliarde Euro. Der sogenannte Bundeszuschuss betrug 2020 zwar 75 Milliarden Euro, aber im Gegenzug entnahm die Regierung für “versicherungsfremde Leistungen (VfL)” 115 Milliarden Euro. Das ergab für 2020 eine Deckungslücke von 40 Milliarden Euro.
Staat plündert die Rentenkasse
Zur Erklärung: VfL sind Leistungen, für die keine Beiträge eingezahlt wurden/werden, wie der West-Ost Transfer (32 Milliarden Euro), Rente mit 63 (12 Milliarden Euro), Mütterrente, Fremdrentengesetz, etc. Alles Versprechen der Politiker ausschließlich zu Lasten nur der Rentner. Die „Entnahmen“ der diversen Regierungen summieren sich seit 1957 auf die unglaubliche „Unterdeckungssumme“ der Rentenkasse von rd. 900 Milliarden Euro.
Auch wenn immer wieder von Steuerzuschüssen in die Rentenkasse die Rede ist, gilt festzuhalten, dass der Staat sich der Rentenkasse bedient, um gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu finanzieren. Kosten für die ausschließlich die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer aufkommen müssen, also 90 Prozent der Erwerbstätigen während die restlichen 10 Prozent wie Beamte, Politiker, Selbständigen, etc. außen vorbleiben – sprich hauptsächlich jene Bürger, mit einem Ruhegeldniveau von 71,75 Prozent des Gehaltes der letzten beiden Jahre was einer Durchschnittspension von 3.200 Euro entspricht, wohlgemerkt ohne je einen Cent in die Sozialsysteme einbezahlt zu haben.
Schlusslicht beim Rentenniveau
Demgegenüber steht ein Rentenniveau von 48,41% des Durchschnittseinkommens über 45 Arbeitsjahre für sozialversicherungspflichtiger Einzahler in die Sozialkassen, welche nach den wiederkäuenden Forderungen nun erst mit 70 in Rente gehen sollen. Damit bildet Deutschland gemäß OCED schon jetzt das Schlusslicht aller EU-Länder Die durchschnittlichen Ersatzquote, also das Verhältnis der Rente zum Einkommen, aller OECD-Länder, zu denen neben den europäischen Industrienationen beispielsweise auch die USA, Japan, Australien und Neuseeland gehören, beträgt 69%, d. h. auch hier landet Deutschland unter ferner liefen. Nicht zuletzt deshalb prognostiziert die OECD für Deutschland einen Anstieg der Altersarmut, wenn die Politik nicht gegensteuert.