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Klimakrise, Ukrainekrieg, verkorkste Energiewende und Sozialpolitik – viele Menschen bangen jetzt um ihre Existenz und werden schon allein deshalb auf die Straße gehen. Es wird Zeit, die Lasten gerechter zu verteilen.

Von Michael Rahnefeld

„Wissen Sie, wenn ich mir diese Diskussion jetzt hier anhöre. Ich habe weder studiert noch einen Titel, aber ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Die breite Masse zahlt.“ So bringt es die sympathische Rentnerin Renate Rönnau am 22. August 2022 in der TV-Sendung „hart aber fair“ mit Frank Plasberg auf den Punkt. Es geht an diesem Abend einmal mehr ums Thema „Kostenfalle Energie“ und die zunehmende Verelendung Europas, deren Spirale sich von Tag zu Tag schneller dreht.

Bangen um die Existenz

Die Klimakrise, der Ukraine-Krieg, eine völlig verkorkste Energiewende und eine Sozialpolitik, die eigentlich nicht als solche bezeichnet werden darf, treiben immer mehr Menschen in eine durchaus berechtigte Existenzangst. Da hilft es auch nicht, wenn in der Plasberg-Sendung der Ökonom Michael Hüther akademisch irgendwelche Zusammenhänge erklären will und der FDP-Fraktionschef Christian Dürr auf ein irgendwann kommendes drittes Entlastungspaket und eine Wohngeldreform verweist. Von einer Übergewinnsteuer, bei der in erster Linie Energiekonzerne zur Kasse gebeten werden könnten, um an anderer Stelle Entlastung zu bieten, will er natürlich – genauso wie sein Finanzminister Christian Lindner  (FDP) – nichts wissen.

Doch die 74-jährige Rentnerin, die sich ehrenamtlich für Altersgenossen einsetzt, will von den blumig-beschönigenden Worten, die beschwichtigen sollen, nichts wissen. Sie weiß genau: Die Zeche zahlen wieder die Bürger in diesem Land, die langsam begreifen, dass es an ihren bescheidenen Wohlstand, ja an ihre Existenz geht.

Vertrauen in Regierung schwindet

Das Vertrauen in die Regierenden schwindet zunehmend, zumal das politische Überlegungs- und Entscheidungschaos kaum noch nachvollziehbar geschweige denn für große Teile der Bevölkerung noch vermittelbar ist.

Selbst im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg warnt die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut vor einem wirtschaftlichen Abschwung. Gerade für den Mittelstand, der in Baden-Württemberg das Rückgrat der Wirtschaft bildet, zeichnet die Ministerin ein düsteres Bild. Das Wort von Arbeitslosigkeit macht bereits die Runde.

Und die Ampelregierung weiß längst, diesmal läuft es aus dem Ruder. Fast gebetsmühlenartig wird seit Tagen davor gewarnt, rechten Aufhetzern auf den Leim zu gehen und mit ihnen auf die Straße. Bei Plasberg geraten der FDP-Mann Christian Dürr und die Linken-Politikerin Mohamed Ali aneinander als die Montagsdemonstrationen angesprochen werden, zu denen Teile der Linken aufrufen. Der Versuch von Dürr, die Linke als Mitläufer der AfD zu diskreditieren, ist plump und zu einfach. Wie überhaupt es wohl im kommenden „heißen Herbst“ zu einfach sein wird, Massenproteste an der Agitation der Rechten in Deutschland festzumachen.

Gerechtere Verteilung der Lasten

Ich wiederhole mich: Viele Menschen bangen jetzt um ihre Existenz und werden schon allein deshalb auf die Straße gehen. Dazu braucht es keine Agitatoren mehr. Sie fordern von den Ampelparteien „eine gerechte Verteilung der Krisenlasten”, einen Gaspreisdeckel und eine Übergewinnsteuer, formuliert es Co-Linken-Chefin Janine Wissler im ARD-Morgenmagazin.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hingegen mahnte seine Partei, sich ausreichend von Rechtsradikalen zu distanzieren. Die Montagsdemos, die ihren Ursprung als friedliche Revolution in der DDR hatten, wurden 2015 von Rechtsextremen zweckentfremdet, auch um gegen die Flüchtlingspolitik zu demonstrieren. So wäre es vielleicht nicht besonders klug, für Demonstrationen zur Energiekrise unbedingt montags auf die Straße zu gehen, unterstreicht Frank Plasberg in seiner Sendung.

In der Tat müssen im kommenden Herbst alle, die auf Ungerechtigkeiten und Entlastungsmöglichkeiten in die Demonstrations-Öffentlichkeit gehen, auf der Hut sein, wo, wann und mit wem sie auf Missstände hinweisen – und Forderungen stellen. So auch die im DVG (dvg-ev.org) organisierten Doppelverbeitragungsopfer. Eine Abschaffung dieser staatlich legitimierten Abzocke würde ganz vielen Menschen sehr viel helfen, weil sie dann in größerem Umfang auf ihre Ersparnisse zurückgreifen könnten. Der DVG muss wieder stärker auf sich aufmerksam machen – natürlich mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mittel und natürlich nur mit gewaltlosen Aktionen.

Bild: Gundula Vogel Pixabay