Krankenkassen

Wie verteilt sich der Freibetrag, wenn jemand mehrere Betriebsrenten hat? Das Sozialgericht Karlsruhe hat ein interessantes Urteil gefällt.

Am 1. Januar 2020 ist das Gesetz zur Entlastung von Direktversicherten und Betriebsrentnern in Kraft getreten. Sein sperriger Name: GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz. Damit zahlen Betriebsrentner ab 2020 rund 25 Euro weniger pro Jahr, abhängig von ihrer Krankenkasse. Aber wie viel zahlen sie dann noch, vor allem, wie verteilt sich der Krankenkassenbeitrag, wenn jemand mehrere Betriebsrenten hat?

Eine Betriebsrentnerin wollte es wissen und klagte gegen die Kranken-  und Pflegeversicherungsbeiträge aus einer Direktversicherung. Sie hatte aber nicht nur einen Vertrag, sondern zwei Verträge. „Versicherungswirtschaft heute“ schildert den Fall:

  • 2016 bekam sie einen Direktversicherungsvertrag über rund 14.000 Euro ausbezahlt. Der Betrag wird auf 120 Monate verteilt und verbeitragt. Der fiktive Zahlbetrag ergab monatlich etwa 115 Euro – und damit unter der Freibetragsgrenze von 159,25 Euro. Also hätte sie keine Beiträge an ihre gesetzliche Krankenversicherung zahlen müssen.
  • Aber sie bekommt sei Juli 2017 noch eine zweite Betriebsrente und überschreitet damit die Freigrenze mit der Folge, dass sie auf alles Beiträge zahlen muss.

Dagegen hat sie geklagt  (Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 29. Januar 2020 – Az.: S 6 KR 2676/18, nicht rechtskräftig).

Die Klage vor dem Sozialgerichts Karlsruhe hatte laut „Versicherungswirtschaft heute“ teilweise Erfolg:

  1. „Für die Verbeitragung bis zum 1.1.2020 gingen die Richter davon aus, dass die Beitragserhebung zu Recht erfolgt sei. Die Beitragspflicht von Leistungen aus Direktversicherungen sei höchstrichterlich geklärt und die Einwände der Klägerin, die Verbeitragung sei unverhältnismäßig und sie sei unvorhersehbar gewesen, griffen nicht durch.
  2. Allerdings sieht die Sachlage ab 1.1.2020 anders aus. Ab diesem Zeitpunkt sei die Klage teilweise begründet, soweit sie sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur GKV für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 richte. Der müsse ab 1.1.2020 berücksichtigt werden.“

Entscheidend sei die Regelung des § 226 Abs. 2 Satz 2 SGB V, die seit dem 1. Januar 2020 für Renten der betrieblichen Altersvorsorge gelte.

Wie den Freibetrag verteilen?

Wie aber ist der Freibetrag auf die beiden Verträge zu verteilen? Dazu hat sich das Gericht geäußert. Es sei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wie der Freibetrag zu verteilen sei, wenn ein GKV-Versicherter wie die Klägerin mehrere Betriebsrenten gleichzeitig beziehe.

Der langen Rede kurzer Sinn: Der Freibetrag muss laut Urteil verhältnismäßig auf die beiden Betriebsrenten aufgeteilt werden.

  • Die Folge: Aus der Kapitalleistung seien daher ab dem 1. Januar 2020 GKV-Beiträge nur noch in Höhe von 8,66 € statt wie bisher knapp 17 € geschuldet.
  • Ob die verhältnismäßige Anrechnung des Freibetrages auf mehrere Betriebsrenten kraft Gesetzes eintrete oder einen vorherigen Antrag voraussetze, könne dahinstehen, weil die Klägerin in der mündlichen Verhandlung jedenfalls einen entsprechenden Antrag gestellt habe.

 Ganz schön kompliziert, vor allem, wenn jemand sogar noch mehr als nur zwei Verträge hat. Daher habe der GKV-Spitzenverband in seinen Rundschreiben zur Umsetzung des neuen Freibetrags empfohlen, dass der Freibetrag zunächst auf eine Betriebsrente angewandt werde und ein verbleibender Restbetrag dann auf die nächste Betriebsrente übertragen werde.

Entlastung durch Freibetrag

ab 1.1.2022bis 1.1.2020Entlastung
Kapitalauszahlung 50.00050.000
geteilt durch 120416,67416,67
minus Freibetrag 159,25252,170
Krankenvers. 14,6 % 36,8260,84
Zusatzbeitrag 1,5 %3.786.25
Pflegevers. 3,05 %12,7112,71
KV+PV monatlich53,3179,7926,48
KV+PV pro Jahr639,72
957.48317,76
KV+PV gesamte Laufzeit6.397,209574,803.176,60
Rest nach Abzug KV+PV 43.602,80

40.425,20
in Euro

„Stiftung Warentest“ hat einen Sozial­abgaben-Rechner programmiert, mit dessen Hilfe jeder selbst ausrechnen kann, was das in seinem speziellen Fall ausmacht.

Die Mechanik des Freibetrags:

  • Zuerst greift (wie bisher) die Freigrenze. Die Freigrenze umfasst neben Versorgungsbezügen z.B. auch Arbeitseinkommen, also Gewinne aus nebenberuflich selbstständiger Tätigkeit, z.B. aus Photovoltaik oder Nebenerwerbslandwirtschaft.
  • Wird die Freigrenze überschritten und entfällt daher, greift nur für Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ein Freibetrag, der genauso hoch ist, wie die bisherige Freigrenze (1/20 der monatliche Bezugsgröße nach § 18 SGB IV = 159,25 EUR für 2020). Der Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf monatliche beitragspflichtigen Betriebsrentenleistungen (bei Kapitalleistungen: 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag für maximal zehn Jahre).