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Viele Gesetze werden weitgehend von Lobbyisten formuliert. Wie ausschlaggebend der Einfluss der Finanzlobby ist, hat das Portal „Finanzwende“ aufgedeckt.

Vielleicht begreifen viele langsam, welche Rolle die Finanzlobby beim Ausgestalten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes, bei der Riester-Rente und einschlägigen Verordnungen hatte und immer noch hat. Interessenvertreter von Banken und Versicherungen sitzen den Politiker sozusagen auf dem Schoss, wenn Gesetzesvorschläge ausgetüftelt werden, die häufig zugunsten dieser Branchen und zu Ungunsten der Bürger ausfallen. Direktversicherte können ein Lied davon singen.

“Finanzwende” analyisiert Finanzlobby

„Finanzwende“ hat die Finanzlobby genauer unter die Lupe genommen und kommt zu erschreckenden Ergebnissen. In ihrem Lobby-Report lotet „Finanzwende“ deren Macht aus: „Die Ergebnisse sind nichtsdestotrotz erstaunlich: Insgesamt gibt die Finanzindustrie unserer Studie nach mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr für die Lobbyarbeit in Deutschland aus und beschäftigt mehr als 1500 Mitarbeiter . Das betrifft vor allem jene Verbände und Unternehmen, die als Banken, Versicherungsunternehmen, Fonds, Börsen, oder Zahlungsdienstleister direkt der Finanzbranche zugerechnet werden können. Zählt man hier noch jene Organisationen hinzu, die wir als ‚erweiterte Finanzlobby‘ beschreiben, also zum Beispiel Teile der Immobilienlobby, der Wirtschaftsprüfer (KPMG oder PwC) oder der Glücksspielbranche, dann ist noch von deutlich mehr Mitarbeiterinnen auszugehen.“

Diese 1500 Mitarbeiter der Finanzlobby stehen „Finanzwende“ zufolge 415 Abgeordneten im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags gegenüber. „Finanzwende“ hat die Einflussnahme auf Parlaments- und Regierungsarbeit analysiert. Finanzwende, die als Verein organisiert ist, kann nach eigenen Angaben für 34 Sitzungen des Bundestags-Finanzausschusses (2014-2020) sowie für 33 Referentenentwürfe mit Finanzmarktbezug (2014-2020)6 einzeln zeigen, welche Verbände und Unternehmen Kommentare und Stellungnahmen abgegeben haben; kann zeigen, wer Zugang zum Bundestag über sogenannte Hausausweise besitzt. Der Verein hat die deutsche Finanzlobby kartografiert: Mehr als 250 verschiedene Organisationen aus Finanzlobby und erweiterter Finanzlobby haben „Finanzlobby“ zufolge die deutsche Politik in den Jahren 2014-2020 zu beeinflussen versucht.

Lobbyismus unter Rot-Grün

Übrigens gilt das nicht nur für die Zeit zwischen 2014 und 2020, sondern auch für die Jahre der Schröder-Regierung von 1998 bis 2002. Ohne die Einflussnahme von Finanzlobbyisten wäre beispielsweise das Gesundheitsmodernisierungsgesetz sicher nicht so ungünstig für Direktversicherte ausgefallen.

Die Finanzlobby bestehe aus drei Akteursgruppen: Branchen-Verbänden, einzelnen Finanzunternehmen sowie Lobbyismus-Dienstleistern (Kanzleien oder Agenturen). In Deutschland sei Lobbyismus traditionell in Verbänden organisiert, die Akteure aus ihrer jeweiligen Branche vertreten. Dies treffe auch auf die Finanzindustrie zu. So sind Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) organisiert, die Sparkassen im Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) zusammengeschlossen und die Deutsche Bank ist Mitglied im Bundesverband deutscher Banken (BdB). Aber einige Unternehmen haben darüber hinaus ihre eigenen Lobbyisten, die sich bei den Abgeordneten Gehör verschaffen, darunter Deutsche Bank und Allianz.

GDV besonders aktiv

Zu den aktivsten Organisationen bei Referentenentwürfen gehört „Finanzwende“ zufolge der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): „Der GDV kommentierte 27 von insgesamt 33 untersuchten Entwürfen“.

Nicht von ungefähr sitzt Ex-Notenbanker Jörg Asmussen als oberster Lobbyist dem GDV vor und Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder will den Deutschen die Betriebsrenten schmackhaft machen und ist beim Würzburger Versicherungsmakler BVUK als Vorstand eingestiegen.

Wer  GDV-Chef ist

Zur Erinnerung: Asmussen betrieb von 2005 bis 2009 aktiv die Deregulierung des Finanzsektors, er war Aufsichtsratsmitglied bei der IKB Deutsche Industriebank, wo er sich für den Kauf von Asset-Backed Securities (forderungsbesichterte Wertpapiere) einsetze, was die IKB schließlich fast in die Pleite führte. Eben diese Brandbeschleuniger lösten 2007 die Finanzkrise aus. Nur dank Gelder der staatlichen Förderbank KfW und von Banken, Sparkassen und Volksbanken konnte die IKB gerettet werden, beschreibt der „Tagesspiegel“ die damalige Lage.  Asmussen wechselte im Juli 2008 als Staatssekretär ins Bundesfinanzministerium und dann im Januar 2012 ins Direktorium der EZB. Zwei Jahre später holte „Spiegel“ zufolge ihn die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles als Staatssekretär ins Amt. Er war bis Ende 2015 für Fragen der Alterssicherung zuständig. Was aus der Alterssicherung wurde, wissen alle Direktversicherungsgeschädigte nur allzu gut, denn sie kämpfen schon seit Jahren für einen sofortiger Stopp der Mehrfachverbeitragung und die finanzielle Entschädigung für die Betroffenen, in deren Verträge mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) rückwirkend eingegriffen wurde.

Zuletzt war er laut „Spiegel“ seit 2016 für die US-Investmentbank Lazard tätig. “Die Versicherer können einen großen Beitrag bei der privaten Altersvorsorge und im Umgang mit Risiken wie dem Klimawandel und der Cybersicherheit leisten”, wird Asmussen vom „Spiegel“ zitiert. Verbraucherverbände und „Finanztip“ sowie der Bund der Versicherten sind da ganz anderer Meinung. Lebensversicherungen sind das Problem und nicht die Lösung für die Altersvorsorge.  Betriebsrentner und Direktversicherungsgeschädigte wissen also, was sie mit Asmussen erwartet. Er wird weiter die Lebensversicherung als beste Form der Altersvorsorge propagieren.

Bild: “Finanzwende” (Screenshot)