Merkel & Co. erzeugten Panik und warnten vor einer Intensivbettenkrise. Viel Geld floss ins System – und versickerte wohl teilweise, wie Medizinprofessor und Gesundheitsökonom Matthias Schrappe befürchtet.
„Es geschehen bei den Intensivstationen seltsame, unverständliche Dinge“, wird Matthias Schrappe von der „Welt“ zitiert. Der Medizinprofessor und Gesundheitsökonom hat zusammen mit acht anderen Experten aus Medizin, Pflege, Krankenkassen, Sozialpolitik und Forschung das Thesenpaper „Die Die Pandemie durch SARS-CoV-2/CoViD-19 – Zur intensivmedizinischen Versorgung in der SARS-2/CoViD-19-Epidemie“ herausgegeben – und kommt auf viele Ungereimtheiten. Die offiziellen Statistiken lassen auf „Manipulationen, Subventionsbetrug und zweifelhafte Verwendung von Fördermitteln“ schließen, schreibt die „Welt“.
Das Thesenpapier wurde aufgrund massiver Kritik von Verbänden aktualisiert und korrigiert. Hier die neue Fassung des Thesenpapiers einschließlich einer Ad hoc-Stellungnahme. Die “Welt” hat sich mit der Kritik der Kritiker im Einzelnen befasst.
Die Autorengruppe ergänzt die Ausführungen aus Thesenpapier 4 und 6.1 zur intensivmedizinischen Versorgung. In Korrektur der Version vom 16.5.2021 wurden in Kap. 4 die Zahlen der intensivmedizinisch behandelten Patienten auf den Tagewert bezogen (S. 15), der Quotient Hospitalisierung/Intensivpflichtigkeit auf die Verweildauer von 10 Tagen korrigiert (Tab. 3, S. 24) und eine Fußnote (Nr. 30) angefügt, die sich mit der Erklärungsmöglichkeit der Abnahme der Intensivbetten-Gesamtkapazität durch die Ausgliederung der pädiatrischen Intensivbetten auseinandersetzt (S. 28). Vielen Dank! – für weitere Anregungen sind wir sehr dankbar.
Mehr Geld für Krankenhäuser
Haben uns Merkel & Co. eine Intensivbettenkrise vorgegaukelt? SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hält die Kritik der neun Experten laut „Welt“ für „abwegig und nicht zutreffend“. Auch das Bundesgesundheitsministerium widerspricht der „Welt“ zufolge und sehe keine „Anhaltspunkte, die auf nachträgliche Manipulationen der Zahl der IST-Betten hindeuten“. Das Thesenpapier der Experten basiere auf Annahmen und Unterstellungen. Ähnlich haben laut „Welt“ die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Ärzteverband Marburger Bund sowie der Intensivmedizinerverband Divi reagiert und sprechen von „irreführenden Vorwürfe“.
Es lohnt, auf die Fakten zu schauen. Laut Schapper wurden 2020 „zur Behandlung von CoViD-19- Patienten durchschnittlich zwei Prozent der stationären und vier Prozent der intensivmedizinischen Kapazitäten – bei deutlichen Differenzen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht – genutzt“. Dafür bekamen die Krankenhäuser als „Ausgleichszahlungen 10,2 Milliarden Euro und als Prämien für knapp 11 000 zusätzliche Intensiv-Betten 530 Millionen Euro ausgezahlt“. Es wäre zu erwarten, dass sich die Zahl der Intensivbetten erhöht hätte – das Gegenteil aber ist der Fall, wie die Statistik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) belegt. Die Verbände räumen selbst ein, dass es zu einem Rückgang der Intensivbettenzahl gekommen sei. Dieser sei auf eine Änderung bei der Abfrage der intensivmedizinischen Kapazitäten sowie dem Einsetzen der Pflegepersonaluntergrenzen zurückzuführen, schreibt „Der Tagesspiegel“.
Belegung auf Intensivstationen
Stand 16. Mai 2021 beträgt die Zahl der aktuellen Intensivpatienten mit Covid-19 laut Divi 4123, was 17,7 Prozent aller vorhandenen Intensivbetten von 23 272 entspricht. Jährlich werden dem Statistischem Bundesamt zufolge pro Jahr 1,9 Millionen Patienten intensivmedizinisch behandelt. Dabei war und ist Deutschland laut Statistischem Bundesamt und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) zufolge das Land weltweit mit den meisten Intensivbetten. In Deutschland kommen auf 100 000 Einwohner 33,9 Intensivbetten, in Spanien beispielsweise 9,7, in Italien 8,6 und in Dänemark 7,8.
Von wegen Intensivbettenkrise?
Schrappe und die acht weiteren Experten meinen insofern, eine Überlastung durch Corona-Patienten habe nie gedroht, anders als uns Merkel & Co. weismachen wollten. Schrappe konstatiert dem „Ärzteblatt“ zufolge, dass es „sogar einzelne Tage gegeben habe, an denen offiziell mehr Patienten auf Intensivstationen gelegen hätten als überhaupt hospitalisiert gewesen seien“. Zweifel habe er auch, ob tatsächlich so viele Intentsivbetten geschaffen worden seien, wie an Fördergeldern dafür geflossen seien.
Es ist das Recht, es ist die Pflicht der Krankenhausmanager, auf die Bilanzen zu schauen. Aber es riecht nach Unredlichkeit, nach Vertrauensmissbrauch oder, wie namhafte Wissenschaftler unter der Hand schlicht sagen: nach Lüge, wenn einerseits Intensivmediziner und Intensivpflegepersonal unter der körperlichen und psychischen Last ihres Einsatzes fast zusammenbrechen – während gleichzeitig ihre Verwaltung versucht, mit möglichst vielen Operationen ein Schnitt zu machen. Elke Bodderas
“Schön bei der Wahrheit bleiben”
Die „Welt“-Redakteurin Elke Bodderas fordert deswegen auf „immer schön bei der Wahrheit bleiben“. Von „Intensivstationen am Anschlag“ könne nicht die Rede sein. Vorgetragen haben den Satz nicht nur die DIVI, sondern vor allem SPD-Gesundheitsexperten Lauterbach. Das statistische Auslastungsdiagrammen sagt aber etwas ganz anderes: „Mehr als 65 Prozent der Intensivbetten entfallen auf Notfall- und Wahloperationen, rund 18 Prozent auf Corona-Patienten, die restlichen zehn bis 15 Prozent sind gegenwärtig nicht belegt“, verweist Bodderas auf die Fakten. Vor diesem Hintergrund muss der Satz „Intensivstationen am Anschlag“ ebenfalls mit anderen Augen gesehen werden.