CDU-Bundestagsabgeordneter Hans-Jürgen Irmer fordert den Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet, auf, die Beitragspflicht auf Direktversicherungen abzuschaffen, wie auf dem Parteitag im Dezember 2018 von der Mehrheit der Delegiert beschlossen.
Die CDU hat immer noch kein Wahlprogramm. Abgeordneten machen jetzt Druck, darunter auch der hessische Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer. Er fordert den Bundesvorsitzenden Armin Laschet auf, den mehrheitlich im Dezember 2018 auf dem Hamburger Parteitag getroffenen Beschluss umzusetzen, die „doppelten Sozialabgaben auf private Altersvorsorge“ zu reformieren und sicherzustellen, „dass Arbeitnehmer oder Selbständige, die Entgeltumwandlung zur privaten Altersvorsorge nutzen, nicht doppelt belastet werden“. Irmer mahnt darüber hinaus “innerparteiliche Demokratie” an.
Laschet muss Farbe bekennen
Die Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich vehement dagegen gestemmt und systematisch blockiert, jetzt ist Kanzlerkandidat und Bundesvorsitzender, Armin Laschet, an der Reihe, den mehrheitlichen Willen der Partei umzusetzen. Genau daran hat ihn Irmer in einem Brief erinnert. Hier der Wortlaut:
derzeit sind die Spitzengremien der Bundes-CDU dabei, das Wahlprogramm für die Bundestagswahl am 26. September 2021 zu formulieren. Als Kreisvorsitzender der CDU Lahn-Dill und als Bundestagsabgeordneter möchte ich mir erlauben, Sie und die Spitzen der Union dringend darum zu bitten, ein Thema aufzugreifen, das etwa sechs Millionen Menschen betrifft. Sechs Millionen, die auf Anraten des Staates eine private Altersvorsorge abgeschlossen haben, und zwar in Form unterschiedlicher Modelle, teilweise kofinanziert durch den Arbeitgeber, teilweise allein finanziert durch Beiträge aus dem bereits versteuerten Nettoeinkommen. Sie alle haben dies gemacht im Vertrauen auf die Zusagen des Staates, wonach in der Auszahlungsphase nur der halbe Beitragssatz an die gesetzliche Krankenversicherung und die Sozialversicherungsträger zu entrichten ist. Eine durchaus attraktive Anlageform.
Sie haben genau das gemacht, was wir heute erneut aktuell predigen, nämlich privat für das Alter vorzusorgen – und sie sind bitter enttäuscht worden. In meinen Augen sind sie betrogen worden, denn der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2004, verantwortlich damals die sozialdemokratische Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und der heutige SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gemeinsam mit den Grünen, das sogenannte Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Bundestag verabschieden lassen. In einer „Nacht- und Nebel-Aktion”, ausgelöst durch Horst Seehofer (CSU), stimmte die Union plötzlich noch zu, obwohl an dem Morgen der Abstimmung gefühlt 95 Prozent der Abgeordneten zumindest der Union nicht wussten, was in der Nacht verändert wurde. Ein unsägliches Verfahren zu Lasten vorausdenkender Arbeitnehmer.
Mit diesem Beschluss müssen seither rund 20 Prozent der angedachten Ersparnisse über einen Zeitraum von zehn Jahren abgeführt werden, wobei eine einmalige Abführung noch nicht einmal möglich ist für die, die das eventuell wollen. Und wenn man Pech hat, je nach Höhe der Zahlung, greift der Fiskus in Form des Finanzamtes zu und kassiert noch einmal einen zusätzlichen Betrag.
So verbleiben aus geplanten 50.000 oder 75.000 Euro Altersversorgung nur noch 30.000 oder gut 50.000 Euro. Hätten alle diejenigen, die im Vertrauen auf die Zusagen des Staates sich für dieses Modell entschieden haben, das ersparte Geld unters Kopfkissen gelegt oder zu Zeiten, als es noch Zinsen gab, bei den Banken langfristig angelegt, hätten sie mehr davon gehabt.
Das, was hier geschehen ist, ist in meinen Augen staatliches Raubrittertum, auch wenn es per Bundestagsbeschluss formal juristisch legitimiert wurde. Für mich stellt sich die Grundsatzfrage, losgelöst von den finanziellen Verlusten der Betroffenen, welches Maß an Glaubwürdigkeit hat Politik allgemein formuliert noch, wenn – wie leider nicht nur in diesem Fall – Beschlüsse rückwirkend hinfällig werden. Ich würde persönlich mit einem solchen Staat, der sein Wort derart massiv gebrochen hat, keine finanzielle Zukunftsentscheidung mehr treffen, weil ich nicht weiß, ob das, was heute zugesagt wird, übermorgen noch gilt. Solche Politik erschüttert das Vertrauen in die politisch Handelnden. Es erschüttert das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit, in die Demokratie.Deshalb halte ich es für zwingend notwendig, dass wir als Union im Rahmen des Wahlprogrammes ein deutliches Signal geben, dass wir hier zwingend Änderungen benötigen. Es heißt immer so schön, es ist kein Geld da. Ein Argument, das ich persönlich nicht mehr akzeptiere, das immer dann von Seiten der Regierenden – egal von welcher Partei – angeführt wird, wenn man bestimmte Entscheidungen/Beschlüsse nicht haben will. Ich komme auf die Frage der Glaubwürdigkeit in der gebotenen Kürze zurück und erinnere daran, dass der Bundesparteitag der CDU genau das gefordert und beschlossen hat, was ich in meinem Schreiben an Sie formuliere, und dass die Kanzlerin mit einem Federstrich erklärt hat, das sei mit ihr nicht zu machen. Innerparteiliche Demokratie sieht für mich anders aus.
Ich kann mich als langjähriger hessischer Landtagsabgeordneter gut daran erinnern, dass ich gemeinsam mit meinem leider zu früh verstorbenen Kollegen Dr. Norbert Herr aus Fulda einige hunderttausend Euro für das Projekt „JeKi – Jedem Kind ein Instrument” gefordert habe. Nach heftiger Debatte erklärte man, das Geld dafür sei nicht da. Zu diesem Zeitpunkt kosteten uns die Asylbewerber 50 Millionen Euro im Jahr. Vier Jahre später betrugen die Ausgaben in Hessen für Asylbewerber rund 1,6 Milliarden Euro, und niemand hat gefragt, wo das Geld herkommt. Es war da. Übertragen auf die Bundesebene könnte man das an vielen Beispielen ähnlich machen. Ich würde nicht behaupten, dass jeder Euro, den der Bund ausgibt, sinnvoll investiert ist. Das heißt, wenn man politisch will, kann man das Unrecht beseitigen. Genau darum geht es mir.
Lieber Herr Laschet, ich weiß, dass Sie Argumenten zugänglich sind. Mir geht es erstens um die Frage der Glaubwürdigkeit im Sinne der Direktversicherungsgeschädigten, die im Übrigen eine Bürgerinitiative gegründet haben, und es geht mir auch um die politische Bedeutung von sechs Millionen direkt Betroffener und ihrem Umfeld.
Bei der Beantwortung meines Schreibens bitte ich darum, mich nicht darauf aufmerksam zu machen, dass auch aufgrund der Intervention von Kollegen und mir der Freibetrag in Höhe von 159,25 Euro zum 01.01.2020 eingeführt wurde. Dies ist sicherlich besser als nichts. Ich habe seinerzeit gleichwohl dagegen gestimmt, weil es das Problem aus Sicht der Betroffenen nicht ansatzweise löst. Lassen Sie uns einfach den Beschluss des Bundesparteitages umsetzen.
Ich erlaube mir das Schreiben dem Vorstand der Direktversicherungsgeschädigten ebenso zukommen zu lassen wie einigen Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Ich verbleibe mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen für Sie in der Hoffnung auf einen gemeinsamen Wahlkampf und vor allem guten Wahlausgang. Hier können Sie Entscheidendes dazu beitragen.
Hier der Wortlaut des Beschlusses auf dem Bundesparteitag im Dezember 2018:
Beschlüsse C 37, C 45, C 132, C 168 Gegen doppelte Sozialabgaben auf private Altersvorsorge Die CDU Deutschlands fordert eine Reform der Sozialabgaben, die auf Beträge zur privaten Altersvorsorge erhoben werden. Es soll künftig sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer oder Selbständige, die Entgeltumwandlung zur privaten Altersvorsorge nutzen, nicht doppelt belastet werden.
Der CDU-Kreisverband Minden-Lübbecke hatte im November 2018 dazu aufgefordert, “Ungerechtigkeit beseitigen und verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen”. Darin wurde die Rücknahme der vollen Beitragspflicht aus arbeitnehmerfinanzierten Direktversicherungen gefordert. “Die konkrete Rückzahlungsabwicklung der bereits erhobenen Beiträge soll durch eine eigene Ausführungsverordnung geregelt werden”.
Bild: CDU | Screenshot Bundesparteitag Youtube-Video