Was wir von den Nachbarn lernen können

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Deutschland ist in punkto Rente nur Mittelfeld. Wir können uns eine Scheibe abschneiden von unseren Nachbarn Schweden, Dänen, Holländern und Österreichern.

Wie schneidet Deutschlands Rentensystem im internationalen Vergleich ab? Die Unternehmensberatung Mercer hat weltweit die Altersvorsorge in 37 Ländern verglichen. Im Ranking erhalten nur zwei Rentensysteme eine sehr gute Bewertung. Deutschland liegt im Melbourne Mercer Global Pension Index (MMGPI) auf Rang 13.

Der wenig überraschende Sieger ist, wie in vielen Rentenstudien, Schweden – dicht gefolgt von Belgien und Dänemark. Die drei Staaten belegen zwar nicht bei allen Themen Spitzenränge, punkten aber mit einem insgesamt guten System. Von diesen Staaten kann sich Deutschland also in puncto Rente noch einiges abschauen.

Was von den Nachbarn lernen?

Schweden

  • Schweden können nach Belieben vom 61. bis 67. Lebensjahr in Rente gehen, in Abstimmung mit dem Betrieb auch noch später. Aber: Wer vor dem 65. Geburtstag in Rente geht, kriegt pro Jahr sieben  Prozentpunkte weniger.
  • Wer dagegen länger arbeitet, bekommt einen noch höheren Zuschlag. Beim Ausstieg mit 70 gibt’s sogar 145 Prozent der Normal-Rente.
  • Die Durchschnittsrente lag 2012 bei 1.345 Euro. Zudem erhalten zwei von drei Arbeitnehmern Betriebsrenten.
  • 18,5 Prozent vom Bruttogehalt gehen an die Rentenversicherung. 16 Prozentpunkte davon in ein Umlagesystem, der Rest in eine kapitalgedeckte „Prämien-Pension“.

Sozialer Vergleich

Währung: Schwedische Krone
(1 SEK = 100 Öre)
           Euro    -D-
(1 EUR =100 Cent)
Arbeitslosenquote: 8,5 Prozent         4,3 Prozent
Inflationsrate: 1,78 Prozent         1,45 Prozent
Lebenshaltungs­kosten: 114,57 Prozent         100,00 Prozent
Gewerbesteuern + Abgaben: 49,10 Prozent         48,80 Prozent
Durchschnittseinkommen: 48.836 €         42.532 €

AP7 Såfa

Beim AP7-Aktienfonds handelt es sich um einen staatlich verwalteten Fonds, der einem strengen Portfoliomanagement unterliegt. Er ist ein Bestandteil der schwedischen Premium-Rente, die wiederum eine wichtige Säule für das Rentensystem in Schweden darstellt. Analog zum 3-Säulen-Modell ist auch die Altersvorsorge in Schweden strukturiert. Neben einer gesetzlichen Rente und einer Betriebsrente, die vom Arbeitgeber finanziert wird, sollten Bürger privat vorsorgen. Såfa steht übrigens für Statens årskullsförvaltningsalternativ (staatliche Jahrgangsverwaltungsalternative). Der AP7-Fonds ist Teil der sogenannten Premium-Rente in Schweden und erzielt seit Jahren sehenswerte Renditen. Ende August 2020 gelang ihm der Aufstieg zum größten Fonds Europas.

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Wertentwicklung des AP7 seit 2011                                               Quelle: Morningstar

 

Während das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr zeitgemäß ist, werden die Rufe nach einer Orientierung am schwedischen Modell immer lauter.  Anstatt – wie in Deutschland – auf ein rein umlagefinanziertes Modell zu setzen, müssen schwedische Arbeitnehmer zusätzlich zum Rentenbeitrag 2,5 Prozent ihres Bruttoeinkommens in Vorsorgefonds investieren (sog. Kapitaldeckungsverfahren). Mit diesem Beitrag soll Vermögen aufgebaut werden, das Arbeitnehmern dann zum Renteneintritt zur Verfügung steht. Der Vorteil: Das investierte Geld wächst durch die Kursentwicklung der zugrundeliegenden Wertpapiere im Vergleich zum deutschen Umlageverfahren. Das führt langfristig zu einem deutlich höheren Rentenniveau und einer großen Entlastung der Bürger.

Am besten auf die Herausforderungen einer älter werdenden Bevölkerung vorbereitet, sind laut dem Index die Niederlande (81 Punkte) und Dänemark (80,3 Punkte). Was machen die Länder besser?

Dänemark

Dänemarks Rentensystem besteht aus mehreren Pfeilern. Die Volkspension, die vom Staat hauptsächlich über Steuern finanziert wird, erhält jeder Bürger in gleicher Höhe. Der Grundbetrag liegt laut der Europäischen Kommission bei 6.327 Dänischen Kronen (847 Euro). Alleinstehende erhalten noch einmal eine Zulage in ähnlicher Höhe, bei Rentnern, die mit einem Partner zusammenleben, beträgt die Zulage etwa die Hälfte. Um den Höchstsatz zu erhalten, müssen Bürger seit ihrem 15. Lebensjahr mindestens 40 Jahre in Dänemark verbracht haben.

Weitere Pfeiler sind die betriebliche Altersvorsorge, die ab einem bestimmten Einkommen verpflichtend ist, sowie private Versicherungen, die Steuervorteile mit sich bringen. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die regelmäßig Daten zu Rentensystemen erhebt, erhalten Dänen mit durchschnittlichem Einkommen im Schnitt eine Netto-Rente in Höhe von 80 Prozent ihres letzten Einkommens. Eine Rente mit 70 könnte in Dänemark durchaus kommen. Das Land hebt das Renteneintrittsalter schrittweise auf mindestens 68 Jahre an.

Niederlande

In den Niederlanden, im Index ganz vorn, erhält jeder Bürger vom Staat eine Basisrente, auch wenn er nie Geld in die Rentenkassen eingezahlt hat. Der Staat finanziert diese Rente aus Sozialabgaben der Arbeitnehmer sowie teilweise aus Steuereinnahmen. Der Mindestbeitrag liegt bei 1.200 Euro brutto. Eine Bedürftigkeits-Prüfung gibt es nicht. Für jedes Jahr, das sie in den Niederlanden wohnen oder arbeiten, bauen Bürger einen Anspruch von 2 Prozent auf.  Den vollen Satz gibt es folglich nach 50 Jahren. Arbeitnehmer können als zweite Säule eine Zusatzrente aufbauen. Der Europäischen Kommission zufolge bieten etwa 90 Prozent der Arbeitgeber diese Möglichkeit an. Darüber hinaus gibt es private Vorsorgeangebote. In den Niederlanden liegt die Nettoersatzquote, wie die Kennzahl zur Höhe der Rente nach Steuern genannt wird, bei mittleren Einkommen sogar bei 100,6 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es knapp 51 Prozent. Ohne die Anhebung des Renteneintrittsalters geht es aber auch in den Niederlanden nicht: Bis zum Jahr 2022 steigt es auf 67 Jahre und 3 Monate.

E.K.05.2021/ info, DVG

Quelle; Ländervergleiche Rentensysteme, www.rentenvergleich.de

www.hans-boeckler-stiftung.de/rentensysteme

Österreich

             

Was zeigt der Vergleich?

– Österreich und Deutschland: „verwandte“ Länder, Sozialversicherungssysteme mit Beitragsäquivalenz

– ABER:

  • Sehr unterschiedliche Leistungsniveaus der Rentenversicherung
  • In Deutschland: Betriebsrente und Riester-Rente

– Warum hat Österreich so viel höhere Renten?

– Was machen sie und wie funktioniert das?

– Warum haben sich Österreich und Deutschland in verschiedene Richtungen entwickelt?

– Was ist dran an dem Argument, dass der Beitragssatz nicht zu sehr steigen darf?

Was bietet Österreich

 – Zentrale Formel: 80/45/65

  • 80 Prozent Bruttoersatzrate bei 45 Versicherungsjahren und Rentenantritt mit 65

– Öffentliche Verantwortung und Umsetzung! Keine Teilprivatisierung!

– Finanzierung

  • 22,8 Prozent Beitragssatz seit 1988, 12,55 AG/ nur 10,25, AN + variable Bundesmittel (Ausfallhaftung)

– Erwerbstätigenversicherung  Einbezug von Beamten und Selbstständigen

– (bAV: mindestens 50  Prozent Arbeitgeberbeteiligung)

– Rentenarten:

Regelaltersrente, vorzeitige Altersrente, Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitsrenten, Hinterbliebenenrenten

– Renteneintrittsalter

  • Männer: 65, Frauen 60 (Anhebung ab Jahrgang 1963)
  • Vorzeitiger Renteneintritt mit Abschlägen möglich

– Mindestens 15 Jahre Vorversicherungszeit

– Rentenansprüche werden nach Lohnentwicklung angepasst – laufende Renten sind inflationsindexiert!

  • Differenz Zugang und Bestand!

– Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit, Krankengeldbezug, Präsenz-/Zivildienst, Kinderziehung;

nicht: Schule und Studium; Nachkauf möglich

– Erwerbstätigenversicherung

– Seit 1958: Einbezug der Gewerbetreibenden

– Seit 1971: Bauern

– Seit 1997: auch Personen mit freiem Dienstvertrag oder Werkvertrag

– Auch freie Berufe und neue Selbstständige (ab 1979)

– Seit 2005: Neuverbeamtete

– Das österreichische Arbeitsrecht hat keine „Lücke“

Finanzierung

– Beitragssatz seit 1988: 22,8 Prozent

  • 12,55Prozent AG, jedoch nur 10,25 Prozent AN
  • Beitragsbemessungsgrenze 4.650/Monat (14 Zahlungen, 2015)
  • Geringfügigkeitsgrenze 405,98 Euro (2015)
  • Selbstständige: 18,5 Prozent
  • Bauern: 17 Prozent

– Differenz zu 22,8 Prozent: „Partnerleistung“ aus Bundesmitteln

– Bundesbeitrag: Ausfallhaftung

– Werte 2014:

  • Ausgaben RV: 38,5 Mrd. Euro; 11,7 Prozent des BIP
  • Bundesmittel 22,7 Prozent der Einnahmen (2012), 3,0 Prozent

des BIP

Schlussfolgerungen

– Ähnliche Startbedingungen – unterschiedliche Entscheidungen: Österreich zeigt, dass ein starkes öffentliches Rentensystem möglich ist, und zwar ohne ökonomische Verluste!

– Sozialversicherung als flexibles Werkzeug!

Was heißt das für Deutschland?

  • Reform der Rentenanpassungsformel/Anhebung des Niveaus  Diskussion, was es kosten darf!
  • Erwerbstätigenversicherung
  • Mindestsicherung?
  • Betriebliche Altersvorsorge (bAV) (wenn nötig): Arbeitgeberbeitrag

 

Bild von Willfried Wende auf Pixabay