Wie weiter mit der Betriebsrente?

Wie weiter mit der Betriebsrente?

Was taugt Altersvorsorge über den Betrieb? „Toll” oder “nicht möglich” – die Meinungen beim von der CDA organisierten Talk gingen weit auseinander.

Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Arbeit und Soziales“ der CDU/CSU, charakterisiert die Betriebsrente im Grundsatz als etwas “ganz Tolles”. Das sieht Ingrid Wulff, die Social-Media-Beauftragte des Direktversicherungsgeschädigten e.V. (DVG) allerdings ganz anders. “Eine stabile Altersvorsorge über den Arbeitgeber ist in Deutschland nicht möglich; solange der Staat auf die Auszahlung Sozialabgaben auch rückwirkend verlangen kann, macht alles keinen Sinn”, so ihre Meinung. Nur wenn der Arbeitgeber mindestens 50 Prozent dazu zahle, sei eine Betriebsrente sinnvoll. Dazu sind aber erfahrungsgemäß die wenigsten Arbeitgeber bereit.

Wie weiter mit der Betriebsrente?

Eben diesen Spannungsbogen wollte die Christliche Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) in dem Online-Fachgespräch „Besser Vorsorgen: Wie weiter mit der Betriebsrente? “ bei Facebook am 10. Mai 2021 ausloten. Die CDA – so viel zum Verständnis – ist eine Vereinigung innerhalb der CDU. Insgesamt verfolgten 54 Teilnehmer die Session, seitens des DVG-Vorstands nahmen der stellvertretende Vorsitzende des DVG, Reiner Korth und Ingrid Wulff teil.

In den Eingangsstatements sprachen sich Peter Weiß und Jan-Peter Ernst, Direktor der R+V Lebensversicherung für die Betriebsrente aus. Weiß sieht in der Betriebsrente im Grundsatz  etwas „ganz Tolles”. Er wünsche sich, dass jeder Arbeitsnehmer eine solche hätte. Aber, das Gesamtbild ist unbefriedigend, zu wenige haben eine Betriebsrente, der Durchdringungsgrad habe in den vergangenen Jahren abgenommen. Es würden zu viele „Negativargumente” kommuniziert, beklagte er.

Niedrigzins ruiniert Rendite

Sorge bereite ihm die Niedrigzinsphase, so Peter Weiß. Es sei notwendig, den Begriff „Sicherheit” neu zu definieren. Der Arbeitnehmer bekomme seine Einlagen zurück plus eines erheblichen Zinsgewinns, das funktioniere heute nicht mehr. Es gebe nur noch 80 Prozent Kapitalgarantie. Der Staat sollte den Mut haben, eine wesentlich stärkere Förderung der Betriebsrenten vorzunehmen in Zeiten der Niedrigzinsphase.

Ernst berichtet, dass der Durchdringungsgrad der Betriebsrente sehr stark variiere, in Abhängigkeit von der Betriebsgröße der Unternehmen. In Firmen mit „mehr als tausend   Mitarbeitern”  hätten 88 Prozent der Mitarbeiter eine Betriebsrentenversorgung, bei Firmen mit 50 bis 100 Mitarbeitern dagegen nur noch 48 Prozent. Die Anzahl der Neuabschlüsse sei rückläufig, das sei sehr traurig. Insbesondere im Einzelhandel, im Gewerbe, im Handwerk und in der Gastronomie sei die Durchdringungsrate sehr gering. Der Arbeitgeberzuschuss sei ein gutes Instrument, sei aber im Effekt leider nicht so groß.

Riester ist gescheitert

Als dritter Redner vertrat der unabhängige Versicherungs- und Finanzmakler, Gerhard Reitz, die Thesen, das Riester Model sei gescheitert, die Kaptallebensversicherung in der bisherigen Form sei tot. Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) muss zukünftig in Tarifverträgen geregelt werden, wenn sie noch ein gewisses Maß an Sicherheit bieten soll.

Korth schätzt die bAV in der jetzigen Form mit Eigenfinanzierung durch den Arbeitnehmer (Lohnverzicht) und kleinem Zuschuss des Arbeitgebers (gesetzlich geregelt 15 Prozent) als „sehr großes Risiko” ein, bei der „die große Gefahr eines Verlustgeschäftes für den Arbeitnehmer” besteht, aus dreierlei Gründen:

  1. Es gibt keine Bestandsgarantie für abgeschlossene Verträge, Beispiel: der Arbeitnehmer spart heute seinen Anteil (rund neun Prozent an Kranken- und Pflegeversicherung) und zahlt später dann eventuell einen noch höheren Krankenkassenbeitrag (Arbeitnehmer- plus Arbeitgeberanteil) von dann 22 oder gar 25 Prozent.
  2. Der Beitrag wird nicht nur auf die Rendite (den Zinsgewinn) fällig, sondern auf den vollen Auszahlungsbetrag, also auch auf den eigenen Sparanteil.
  3. Da die Versicherungsbeiträge zur bAV in der Einzahlungspahse „vor Steuern” abgezogen warden, werden dafür auch keine Rentenbeiträge eingezahlt. Der Arbeitnehmer mindert damit also seine eigene gesetzliche Rente, es fehlen ihm Rentenpunkte.

Stärkt die gesetzliche Rente!

Rentenberater Felix Schlindwein forderte, die gesetzliche Rente müsse gestärkt werden, die Riesterrente sei ein Verlustgeschäft. Er stellte folgenden Fall vor: 35 000 Euro in Riester eingezahlt, davon geblieben sind dem Versicherungsnehmer ganze 17 000 Euro. Der Rest entfällt auf Verwaltungsgebühren, Abgaben, Beiträge und Steuern.

Schlindweins Kernthesen:

  1. Die gesetzliche Rente allein muss den Lebensstandard des Arbeitnehmers sichern.
  2. Eine Betriebsrente bringt nur dann ein gutes Ergebnis, wenn es so läuft wie es früher war, sprich, der Arbeitgeber allein zahlt in die Betriebsrente ein.

Hans-Walter Hennigsen von der CDU Barsbüttel bei Hamburg stellte noch einmal klar, auch der sogenannte „Arbeitgeberzuschuss” zur bAV muss erarbeitet werden – und  zwar von allen Beschäftigten im Betrieb. Das sei Teil des erwirtschafteten Gewinnes im Betrieb, der in die Versicherung eingezahlt werde. Und er stellte die Frage: Was ist mit dem über viele Jahre vom Arbeitnehmer selbst eingezahlten Eigenanteil der Rente, wenn der Versicherte bereits nach einem Jahr Rentenbezug verstirbt. Verfällt dann das gesamte Sparkapital. Die Vertragsregelungen dazu seien lückenhaft und gesetzlich unbestimmt.

Keine bAV mehr abschließen

Der Sozialrechtler Mathias Ulmer gab offen zu erkennen, er habe in seinem Bekanntenkreis dazu geraten, eine solche bAV heute nicht mehr abzuschließen, das ganze System sei sehr, sehr kompliziert. Die sechs verschiedenen Wege der bAV sind nur schwer durchschaubar.

Ingrid Wulff bemerkte dazu im Chat:

  • Es hilft doch keinem, in der Ansparphase Sozialabgaben einzusparen, wenn man im Rentenalter dann höhere Krankkassenbeiträge zahlen muss als vorher im Berufsleben – und
  • Einzahlungen in die bAV fehlen beim Bruttoeinkommen, fehlen dann hinterher beim Bezug von Krankengeld, beim Erziehungsgeld und später auch bei der Rente.