Die Fokusgruppe Altersvorsorge legt ihren Abschlussbericht vor – Enttäuschung ist dabei nicht zu tief gegriffen

DVG-Demo in Kassel 2023 - Foto K-media_0054 (4)

Die Fokusgruppe Altersvorsorge unter Leitung von Staatssekretär Dr. Florian Toncar, FDP, hat am 18.07.2023 ihren Abschlussbericht und ihre Empfehlungen für die bevorstehenden Gesetzesänderungen im Bereich Altersvorsorge vorgelegt.

Ein Kommentar des DVG-Bundesvorsitzenden Reiner Korth, 26.07.2023

“Dass der Leser den nachfolgenden Kommentar auch inhaltlich nachvollziehen kann, sollte er erst einmal wissen, wie diese vom Bundeskabinett eingesetzte Expertengruppe besetzt war: Von insgesamt 19 Mitgliedern waren es 6 Beamte aus drei Ministerien, 6 verbeamtete Professorinnen und Professoren aus der Wirtschaftswissenschaft (Universitäten), 2 Vertreter aus der Finanzwirtschaft, ebenso 1 Vertreter aus dem DGB, der über seine Tochterfirma “Metallrente” selber solche Vorsorgeversicherungen verkauft.

Erstes Fazit: Da sitzt also eine Überzahl an Vertretern des Beamtentums und der Finanzwirtschaft zusammen, um über unbeteiligte Dritte, in diesem Falle die Rentner zu urteilen. Die Interessensverbände der späteren Vorsorgeempfänger, der Rentner dagegen, wie z. B. der SoVD, der VdK oder auch der DVG wurden nicht eingeladen, wurden nicht einmal angehört. Politiker und Beamte allein, die später mit großzügigen 72 % altersversorgt sind, richten also über die klein gehaltenen Rentner, wenn diese sich über eine zusätzliche Altersvorsorge ihre höchstens “kleine 48 % Rente” aufstocken wollen, um ihren Lebenstandard im Alter abzusichern.

Die Kritik der Verbraucherverbände und die Kommentare in der Presse am Ergebnisbericht der Kommission sind deshalb vollends berechtigt. Die Überschriften lauteten z. B. “Hohes Risiko”, “Altersvorsorge soll das Geschäft der Lebensversicherer retten”, “Die Finanzbranche hat an einem günstigeren Finanzprodukt kein Interesse”, etc.

Die „Fokusgruppe Altersvorsorge“, geführt vom Finanzministerium, war überproportional besetzt mit Finanzwissenschaftlern und mit Lobbyvertretern aus der Finanzwirtschaft. Deren vorrangiges Ziel war die Absicherung der Anlagenseite und ein hohes Renditeergebnis. Dieser neue Vorschlagskatalog der Fokusgruppe ist ein weiteres Bonbon für die Finanzindustrie. Die Finanzwirtschaft stopft sich mit staatlicher Förderung die Taschen (nach Riester I) erneut voll und der Leistungsempfänger, der spätere Rentner zahlt später wieder einmal die Zeche.

Das eigentliche und hohe Sparer-Risiko ist nämlich auf der zweiten Seite der Medaille abzulesen: auf der Auszahlungsseite mit später hohen staatlichen Abgaben. Die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen in der Ansparphase mit staatlichen Förderungen geködert werden, neue Vorsorgeverträge abzuschließen. Die jungen Leute aber werden aufs Glatteis geführt. Denn, was in diesem Vertragskonstrukt verschwiegen wird (auch von den Politikern!), das sind die hohen Abgaben in der Vertragsauszahlungsphase (also in der Rente), wie z. B. den vollen Krankenkassenbeitrag von derzeit 19 % oder aber auch der Verlust von Rentenpunkten in der staatlichen Rente.

So betrachtet schwächt sogar jeder Abschluß eines neuen Vorsorgevertrages die Finanzlage der Rentenkasse zusätzlich, weil damit in der Sparphase in die Kasse weniger eingezahlt wird. Und, solch eine Rendite kann niemand erwirtschaften um die späteren, hohen Abgabenverluste auszugleichen.

Und dann ist da noch das große unkalkulierbare politische Risiko. Der Staat ist aktuell immer noch berechtigt, auf diese Sparverträge nachträglich die Abgabensätze beliebig zu verändern. Er gibt keine Bestandsgarantie für Altverträge. Im Falle der Vorsorgeart „Direktversicherung“ zum Beispiel hat die Regierung 2003 beschlossen, dass der Rentner ab 2004 bei den Auszahlungen ein Fünftel der Summe als Krankassenabgabe und Pflegeversicherung abführen muss, auch für Altverträge, die bereits vor langer Zeit, z.B. 1985 abgeschlossen wurden.

Genau dieses hohe Verlustrisiko gehen die jungen Arbeitnehmerinnen und Abeitnehmer heute ein, wenn sie einen neuen Vorsorgevertrag abschließen würden. Deshalb ist allergrößte Vorsicht geboten. Vor Abschluß neuer Verträge ist das persönliche Abschlußrisiko ganz penibel abzuwägen.

Der Staat hat mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2003 das Vertrauen der Bürger in das zweite und dritte Standbein der Altersvorsorge vollends zerstört. Diese neuen Vorschläge von der Toncar-Arbeitsgruppe, sind nicht dafür geeignet, wieder neues Vertrauen aufzubauen. Im Gegenteil, sie zementieren das System der staatlichen Abzocke bei den Vorsorge-Sparern.”

 

Ein Kommentar von Reiner Korth                        Foto: DVG