Das war`s also mit der Fokusgruppe Private Altersvorsorge. Was hatte man nicht alles an Hoffnungen in den illustren Zirkel um Finanz-Staatssekretär Florian Toncar/FDP gesetzt. Pustekuchen.Aus der Gruppe mit sechs Staatssekretären aus drei Ministerien, sechs ProfessorenInnen sowie Vertretern der Gewerkschaften und – wichtig vor allem – aus der Versicherungswirtschaft. Das Abschlusspapier der Gruppe wurde gerade in der letzten Woche vorgestellt – erschreckend, aber nicht für alle.
Eine Glosse von Thomas Kießling
„Wer die Fokusgruppe mit einer „Lokusgruppe“ vergleicht, der erntet im politischen Berlin einen Lacher – mit dem Hinweis, dass bei dem nun vorbereiteten Gesetz alle in die Röhre schauen, nur die Versicherungswirtschaft nicht. Sie lacht als Einziger nicht, sondern reibt sich die Hände. An Sparern und Bürgern gehen die Fokusgruppen-Vorhaben knapp vorbei, für die Policen-Entwickler ist es dagegen die nächste Goldgrube, auf die sie nach langen, kargen und unrentablen Jahren der Null-Zins-Politik gewartet haben. Denn – schon lange war bekannt: mit den Riesterverträgen war letztlich ein Fiasko eingeläutet, zum Schluss hat sie niemand mehr abgeschlossen. 16,4 Millionen Riester-Verträge sollen in Deutschland fixiert worden sein – jeder 4. Euro eines jeden Vertrags soll allein in die Kosten und ins Provisionsloch der Versicherungswirtschaft geflossen sein.
Doch wer auf dem „toten Gaul Riester“ (ein weiterer Lacher in Berlin) weiterhin in den Sonnenuntergang reiten will, der musste ein neues Modell entwickeln. Resultat wird ein wohl ein so genanntes „Riester II“ sein. Es biete mehr Rendite für die Ansparer, bei natürlich geringeren Kosten. Dass „Riester I“ genau an dieser Machart letztlich gescheitert ist, weil´s nämlich genau andersherum war, müsste eigentlich dem letzten aufs Kreuz gelegten Vertragsinhaber eingeleuchtet haben – und damit auch der Politik. Die Versicherungsunternehmen machen wieder fett Kasse, die Verbraucher, sprich die späteren Rentner, kriegen leider nur ihr Fett weg.
Was hatte man nicht alles an Hoffnungen in die von ProfessorenInnen und ExpertInnen besetzte Fokusgruppe gesetzt, die man für mehrere Fokusgruppen-Sitzungen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin gelotst hatte. Eine propere Rentenreform, Neuordnung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge, daneben noch gleich die Abschaffung der Doppelverbeitragung – einfach einen Neuanfang für zig-Millionen geprellter und verunsicherter BürgerInnen.
Aber, wer in den Zirkel mal hineingehört hat, der kam sehr schnell zu dem Schluss, dass die ganzen Profis und Profinen gar keine Ahnung von der Materie hatten, noch davon, warum sie eigentlich in die Fokusgruppe berufen wurden. Noch hatten sie überhaupt einen Hauch davon, was eigentlich gespielt wurde. Sie waren schlicht Beiwerk, Staffage. Das jedenfalls dämmerte ihnen von Sitzung zu Sitzung mehr und mehr: „Die vielen Staatssekretäre kennen sich alle untereinander und sind per Du, wir sind quasi nur Beisitzer – und wahrscheinlich werden die dann beim Feierabendbier das Abschluss Kommuniqué allein beschließen, und wir kriegen es dann nur noch zum Durchlesen.“ Außer Spesen, nichts gewesen, so das Resultat der FokusIanerInnen– oder eine Lobby-Arbeit at it`s best, denn die Versicherungswirtschaft wusste sehr wohl, warum sie anwesend war. Ein neues Geschäftsmodell für die Versicherer, das unter dem Deckmantel eines Experten-Zirkels von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde. Einfach genial.
„Hallo Herr Toncar“ ist der neue „Hallo Herr Kaiser“ von der Hamburg Mannheimer – oder war der Fernsehspot früherer Zeiten von der Allianz-Versicherung? Wie ging der noch gleich?
„Denn wer sich Allianz versichert, der ist voll und ganz versichert, der schließt vom ersten Augenblick ein festes Bündnis mit dem Glück – eine Allianz fürs Leben.“
Anders waren die Verkaufsabsprachen `s in den 2000er Jahren beim Versicherungs-Makler Carsten Maschmeyer an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder auch nicht – die Geburtsstunde von Riester und eine Allianz fürs Leben der beiden Hannoveraner.
Fun Fact: Der eine hat für seinen jetzigen Job unzählige Botox-Kuren hinter sich, aber daraus nur einen einzigen Gesichtsausdruck gewonnen. Der andere hat ständig gefärbte Haare für die nächste junge Ehefrau – der geneigte LeserIn darf selbst entscheiden, wer für was steht.
Den eingefrorenen Gesichtsausdruck werden dann auch die Versicherten haben, die auf dem nächsten „toten Gaul“ reiten werden. Hüüüüüühü-hüüüh.
Und wer im Sattel dazu den Gesang „Toncar-Toncaaaar“ anstimmt, ist nicht im afrikanischen Busch gelandet, sondern in der von der Lobby der Versicherungswirtschaft geschaffenen Fokusgruppe mitten in Berlin.“
Glosse von Thomas Kießling Foto: Deutscher Bundestag
Zum Hintergrund für die Toncar-Fokus-Private Altersvorsorge-Gruppe:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/riester-rente-reform-102.html