Die Rente als Spekulationsobjekt

Heil und Lindner - Foto Web.de

Die Rente ist … nicht mehr sicher, soll aber auch noch zum Spekulationsobjekt werden. Das schadet ihr genauso wie das Gezocke um die Abschaffung der Rente mit 63 oder die geplante Verlängerung der Lebensarbeitszeit.

 

Der jüngst vorgelegte Gesetzentwurf zum Rentenpaket II wird von allen Seiten zerpflückt. Das von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgestellte Vorhaben macht niemanden glücklich und wird laut vieler Experten die Unterdeckung in der Gesetzlichen Rentenversicherung bei weitem nicht beheben können.

Die Rente wird nun gar zum Spekulationsobjekt, denn um den Beitragsanstieg auf mittlere Sicht zu dämpfen, soll ab diesem Jahr mit dem Aufbau eines sogenannten Generationenkapitals begonnen werden – Stichwort: Aktienrente. Dafür will der Bund Kredite aufnehmen, um das Geld unter anderem in Aktien anzulegen. Doch die Erträge darauf seien überhaupt nicht planbar, ächzen Kritiker, unter anderem aus der Union. Was solle daran solide sein? fragt auch der Chef des Wirtschaftsinstituts IW, Michael Hüther.

 

Bei 200 Milliarden Euro Einsatz lediglich 10 Mrd. als Rendite

Nach den Plänen von Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil soll die Aktienrente in Zukunft ein wichtiger Teil der Altersvorsorge sein. Der Bund will 200 Milliarden Euro in Aktien und Fonds investieren und erhofft sich daraus ab 2036 jährlich einen Gewinn von zehn Milliarden Euro für die Rentenkasse. Doch was sind zehn Milliarden Euro jährlich im Vergleich zu den 127 Milliarden, die der Bundeshaushalt allein in diesem Jahr als Stütze für die Rentenkasse zuschießen muss? Wäre es da nicht sinnvoller und weit unbürokratischer, mit dem Geld die nächsten zehn Jahre die Rente zu unterstützen und das System zukunftsfähig umzustellen?

 

Vorschlag des DVG liegt längst auf dem Tisch

Ein wichtiger und richtiger Schritt für eine solide Finanzierung der Rente sind die Forderungen, dass alle – auch Beamte und Selbstständige – in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlen müssen. Der DVG – Verein der Direktversicherungsgeschädigten e.V. hat bereits mehrfach diesen Vorschlag unterbreitet und Beispielländer wie Österreich ins Spiel gebracht. Diese Empfehlung wird auch von den Linken, den Grünen und von Sozialverbänden favorisiert.

Dagegen erheben sich aber erneut die so genannten Rentenexperten. Monika Schnitzer als Mitglieder der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung hat diesen Ratschlag wie die Reform-Pläne insgesamt hart kritisiert. Eine größere Bandbreite an Einzahlern reiche für das Stopfen der Rentenlöcher nicht aus. Mit den jetzt vorgeschlagenen Reformen halte die Bundesregierung außerdem am Renteneintrittsalter fest und zementiere den weiteren Anstieg der Renten mit der Lohnentwicklung, sagte Schnitzer jüngst in der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Nach ihrer Meinung würde das vor allem die junge Generation belasten. Die Professorin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und damit Landesbeamtin! plädiert vielmehr für die Abschaffung der Rente mit 63.

Die angesprochene junge Generation meldete sich nun bei der Talkshow Markus Lanz zu Wort (Sendung vom 7. März 2024). Die Co-Chefin der Grünen-Jugend, Katharina Stolla, und die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, gerieten in einer Debatte über die Rente und den Sozialstaat insgesamt heftig aneinander. Rechenmodelle für die Rente hatten sie hingegen keine parat, dafür Vorstellungen für mehr Bürgergeld und die Vier-Tage-Woche (Stolla).

 

Tiefgreifende Renten-Reform ist nötig

Von einer richtigen und tiefgreifenden Rentenreform lassen alle Parteien – auch die Ampelregierung – die Finger weg. Kritiker vermuten, auch die Politiker wollten ihre „goldene Hängematte“ nicht kappen, um womöglich ins Gesamtsystem Rente einzahlen zu müssen. Außerdem sitzen viele Anwälte und Ärzte im Bundestag und vertreten ihre Klientel. Deren Versorgungswerke ticken nochmals komplett anders und haben mit der normalen gesetzlichen Rente herzlich wenig zu tun. Wie in der Gesundheitssystem eben ein Zwei-Klassen-System, oder wie es Experten sagen: ein Kasten-System. Die Vertreter der oberen Kaste wechseln nie und nimmer in die untere: soll diese doch die Mütterrente, die Rente mit 63, Bürgergeldempfänger, Geflüchtete, Ost-Rentner (mit Lebensarbeitszeit vor 1989) alleine stemmen und die Zuschüsse für Pensionäre über ihre Steuergelder gleich noch mitfinanzieren – auch deren 13. Monatspension (nicht ganz ein 13tes, es fehlen 15 bis 35 Prozent, aber immerhin) und die Inflationsprämie (vom Wording her kein Inflationsausgleich, sondern eine Prämie) in 2023 von 3.000 Euro! Auch 2024 soll es diese Prämie für Pensionäre geben, wobei deren Höhe noch nicht bekannt ist. Rentnerinnen und Rentner schauen dabei in die berüchtigte Röhre.

Wenigstens nicht weniger als 48 Prozent Rentenniveau

Hubertus Heil hat sich beim Rentenpaket II wenigstens festgelegt, dass das Rentenniveau von 48 Prozent nicht minimiert und das Renteneintrittsalter nicht erhöht werden soll. Aber auch das hat die Kritik der später einmal pensionierten Landesbeamtinnen / Professorinnen hervorgerufen. Sie würden gerne bis 70 arbeiten lassen, sonst funktioniere das System nicht länger. Dabei gehen wir in Deutschland erst mit 67 Jahren (früher und ohne Abschläge nur nach 45 Berufsjahren möglich) und ziehen im Jahr der Europawahl (9. Juni 2024) gerne den Vergleich mit anderen EU-Staaten. In Italien gehen Männer mit spätestens 65 Jahren in Rente und Frauen mit höchstens 60. In Frankreich gab es über ein Jahr lang Proteste gegen die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Bislang gingen Männer im Schnitt mit 62,7 Jahren in Rente, Frauen mit 62,9 Jahren. Beide Spezies arbeiteten länger als 62 Jahre, um ihre Rente aufzuhübschen.

Ist Deutschland abgehängt? Eins ist jetzt schon einmal sicher, dass die Gesetzliche Rente für viele Rentnerinnen und Rentner nicht mehr sicher ist, denn die Bezüge sind auch aktuell schon viel zu gering, die Lebenshaltungskosten und die Mieten sowie die Energiepreise sind stark gestiegen und damit auch die Gefahr der Altersarmut. Rund 20 Prozent aller RenterInnen seien jetzt schon von der Altersarmut bedroht – Tendenz steigend. Eine Verbesserung ist auch durch das Rentenpaket II nicht zu erwarten.

Der DVG hatte – parallel wie bei der Gesetzlichen Krankenversicherung – darauf hingewiesen, dass sich die Fremdleistungen wie die Mütterrente oder die Bezieher von Bürgergeld wie in einem Sprungtuch aufgefangen fühlen können. „Die Allgemeinheit und damit die Einbezahler in die Sozialsysteme sollen bezahlen, was sich die Politik wünscht“, so sagen viele im DVG, „und manche sogar: über Gebühr, denn wir dürfen über die Doppel- und Mehrfachverbeitragung noch viel mehr in den gemeinsamen Topf der Krankenkasse einbezahlen, als uns vertraglich einst zugesichert worden war – manche bis zu 25.000 Euro.“

Neben der unsicheren Rente laufen in Deutschland einige Zumutungen, und manche sagen sogar: Betrügereien, an die die Regierenden endlich ranmüssen.

 

Text: Thomas Kießling

Foto-Quelle: web.de (mit freundlicher Genehmigung)