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Als Anhängsel zum Grundrenten-Kompromiss wurde auch die Entlastung von Betriebsrentnern und Direktversicherten geregelt. Warum beides Murks ist.

Sozusagen als „Beifang“ oder „Anhängsel“, wie sich einige Journalisten ausdrücken, regelte die große Koalition, kurz Groko, neben der Grundrente auch gleich noch die teilweise Entlastung von Betriebsrentnern und Direktversicherten – Entlastung von den doppelten Krankenkassenbeiträgen. Procontra-Autor Detlef Pohl hat sich den „Beifang“ einmal genauer angeschaut und geht in einem Kommentar ausführlich darauf ein.

Viele Betriebsrentner und Direktversicherte zahlen doppelt und dreifach Krankenkassenbeiträge – einige bereits in der Anzahlphase, alle in der Auszahlphase. In der Rente müssen sie sogar neben ihrem Arbeitnehmeranteil auch noch den Arbeitgeberanteil tragen, den hat sich der Arbeitgeber nämlich gespart.

Bis Ende 2003 zahlten gesetzlich Versicherte mit einer Direktversicherung gar keine Krankenkassenbeiträge, Betriebsrentner nur den halben Beitragssatz. Das hat die damalige rot-grüne Koalition mit Hilfe der Union geändert. Seitdem verlangen die Krankenkassen den vollen Satz plus Zusatz- und Pflegebeitrag.

„Diesen unhaltbaren Zustand, der wegen der klammen Sozialkassen von Rot-Grün herbeigeführt worden war, wollte die Politik eigentlich beseitigen (procontra berichtete).; doch die letzten zwölf Monate waren vor allem von einem kleinlichen Streit um die Kosten geprägt, die mit 2,6 Milliarden Euro veranschlagt wurden“, so Pohl.

Murks dank Merkel

Eine Entlastung wäre dabei nicht einmal so teuer. Procontra rechnet vor, dass sich das „im Prinzip aus der Portokasse bezahlen ließe“. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) „müssten um etwa 0,214 Prozentpunkte angehoben werden, hatte der GKV-Spitzenverband ausgerechnet“. Den Arbeitnehmer mit einem Bruttolohn von 3000 Euro träfe das mit 0,107 Prozentpunkte oder 3,21 Euro mehr im Monat. „Das geht nicht”, hatte aber Angela Merkel interveniert (procontra berichtete).

Der Verein der Direktversicherungsgeschädigte (DVG) intervenierte bei Groko-Politikern, organisierte Demos und Info-VeranstaltungenGelungene Info-Veranstaltung in Rheine, um die breite Öffentlichkeit über dieses Unrecht zu informieren. Allerdings liefen diese Bemühungen monatelang ins Leere.

Oh Wunder, „am letzten Sonntag zauberte die GroKo dann die Grundrente aus dem Hut.“ Die habe zwar mit der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten erst mal gar nichts zu tun, so Pohl. „Aber Politik gilt ja als Kunst des Kompromisses.“ Die SPD wollte nur ihr Lieblingsprojekt Grundrente durchboxen, die Betriebsrentner und Direktversicherten fielen dabei leider hinten runter. Sie wurden mit ein paar Krümel abgespeist.

Die Idee stamme, so Pohl, von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Wenn Millionen von der Grundrente profitieren, würde dies zu deutlich höheren Einnahmen in der GKV führen und damit deren Einnahmeausfälle durch Abstriche bei der Doppelverbeitragung kompensieren.“ Ganz schön verquer diese Denke.

Grundrente versus Betriebsrente

Pohl hat es einmal zusammengefasst, was für die betriebliche Altersvorsorge (bAV) herausgekommen ist:

  • Die bisherige Freigrenze bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für kleine Betriebsrenten bis 155,75 Euro pro Monat (2020: 159,25 Euro) wird in einen Freibetrag umgewandelt, der bis zu dieser Höhe für alle Betriebsrenten gilt.
  • Der steuerfreie Förderbetrag für arbeitgeberfinanzierte Betriebsrenten an Geringverdiener wird verdoppelt. Zur Erinnerung: Der § 100 EStG zur Geringverdienerförderung war erst 2018 eingeführt worden. Folge bisher: Zahlt der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern mit maximal 2.200 Euro Bruttoeinkommen mindestens 240 Euro pro Jahr selbst in die bAV (maximal 480 Euro), kann er 30 Prozent von der Lohnsteuer behalten, also mindestens 72 Euro (höchstens 144 Euro) im Kalenderjahr. Dieser Förderbetrag wird nun auf 144 bis 288 Euro verdoppelt.

Wie faul der Kompromiss ist, zeigt sich, wenn er einmal in seine Einzelteile zerlegt wird. Die Groko hat alles in einen Topf geworfen und kräftig herum gerührt. „Die Regierung rechnet sich so die Beitragsausfälle der Kranken- und Pflegeversicherung schön und hat nun jährlich nur 1,2 Milliarden statt 2,6 Milliarden Euro Kosten.“ Jetzt aber kommt’s: „Das Gros (der Kosten für die Grundrente) will die SPD durch die Finanztransaktionsteuer gegenfinanzieren, die weder in der Koalition noch in der EU abgestimmt ist und somit vorerst als Luftbuchung erscheint.“ Und noch eines kommt dazu: Die Finanztransaktionssteuer schwächt natürlich private und betriebliche Altersvorsorge, weil die Versicherer ihr Geld ja am Kapitalmarkt anlegen und bei jeder Transaktion zahlen müssen, was letztlich die Rendite der Altersvorsorge schwächt. Besonders hart wird es die Metaller treffen, denn die haben ja ihr Geld bei der Allianz – und die setzt auf eine Fondslösung. Dabei läuft der Metallrente-Fonds heute schon deutlich schlechter als beispielsweise der MSCI World. Die Metaller sind also doppelt die Gelackmeierten.

Druck aus dem Kessel?

Viele Groko-Politiker glauben wohl, dass mit der Vereinbarung der Druck aus dem Kessel ist. Gesundheitsminister Jens Spahn meint, „für rund 60 Prozent der Betroffenen, deren Betriebsrente jeweils höchstens 320 Euro im Monat beträgt, würden sich die SV-Beiträge mindestens halbieren“. Renten unterhalb des Freibetrages blieben, so zitiert ihn Pohl, wie bisher beitragsfrei. Für alle übrigen würde sich die Belastung jeweils um rund 300 Euro pro Jahr verringern.

Das ist Augenwischerei, denn bei einer größeren Kapitalabfindungen von Direktversicherungen bringt die Vereinbarung der Groko monatlich gerade einmal 30 Euro Entlastung. Die prozentuale Entlastung durch die Neuregelung sei kaum spürbar, kritisierte der Verein der Direktversicherungsgeschädigten in der „Neuen Westfälischen Zeitung“.

Entlastung nur für wenige

Wer wird überhaupt entlastet? Eigentlich nur Betriebsrentner und Direktversicherte, die weniger als 19 000 Euro Kapitalabfindung bekommen haben. „Bei dieser Summe käme fiktiv nur eine Monatsrente von rund 75 Euro zustande“, rechnet Pohl vor. „Für eine armutsfeste Betriebsrente bräuchte es aber deutlich höhere Auszahlungen – und die bleiben oberhalb des Freibetrages weiterhin mit satten rund 18,6 Prozent beitragspflichtig – in der Kranken- und Pflegekasse.“ Der Freibetrag gilt auch nur für den Krankenkassenbeitrag, nicht für den Pflegebeitrag, so dass für Betroffenen mit höherer Kapitalabfindung monatlich lediglich eine Einsparung von rund 25 Euro herauskommt.

Das Problem sei also nur an der Oberfläche angefasst worden. Und selbst dieser Ansatz bleibe wacklig, denn der Kompromiss rund um die Grundrente sei weder ausfinanziert noch Gesetz. „Ein großer Wurf sieht anders aus, aber kann man den von Großen Koalitionen überhaupt erwarten?“

Bild von Andy Gries auf Pixabay