Bei der Freibetragsregelung von Betriebsrenten ist eine Nachbesserung erforderlich, findet der Verein der Direktversicherungsgeschädigten.
Am Montag, den 9. Dezember 2019 fand die öffentliche Anhörung des Entwurfs zum GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetz vor dem Ausschuss für Gesundheit statt. Neben Sozial- und Verbraucherverbänden und dem Interessensverband Direktversicherungsgeschädigte waren auch der GKV Spitzenverband, der DGB und der BDA vertreten. Letztere begrüßten die geplante Entlastung der Betriebsrentner als angemessen und finanziell vertretbar (Finanzrahmen von knapp 1,2 Milliarden Euro), hingegen die Sozialverbände und die Arbeitsgemeinschaft für Betriebliche Altersversorgung betonten, dass dies nur ein erster Schritt zur Wiederherstellung einer gerechten Beitragspflicht für Betriebsrentner und Direktversicherte sein kann.
Freibetragsregelung ungenügend
Der tagtäglich sich Bahn brechende Ärger und die Unzufriedenheit der Betroffenen, so die Prognose, werden auch künftig bestehen bleiben, sofern nicht eine echte Rückführung zum halben Beitragssatz geschaffen wird.
Vor allem aber der Verein der Direktversicherungsgeschädigten deckte die Schwächen des Gesetzentwurfes insbesondere für die vor 2004 abgeschlossenen Direktversicherungs-verträge systematisch auf und präsentierte folgende Lösungsvorschläge:
- Reduzierung der Doppelverbeitragung auf den halben Beitragssatz, denn nur so ist eine gerechte Belastung gemäß der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen sowie eine einfache Überprüfbarkeit durch den Arbeitnehmer erreichbar. Für alle vor 2004 abgeschlossenen Direktversicherungsverträge Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der vollständigen Beitragsfreiheit.
- Erhöhung des Aufteilungsfaktors für Kapitalauszahlungen unter Beachtung der Lebensrealität von 120 auf 240 Monate.
- Beibehaltung des Prinzips „Pflegeversicherung folgt der Krankenversicherung“ und Forderung nach einem Freibetrag auch zur Pflegeversicherung.
- Sollte der bisherige Gleichklang zwischen Kranken- und Pflegeversicherung aufgegeben werden, müsste ein monatlicher Mindestbeitrag für die Pflegeversicherung in Höhe von mindestens 20 € festgelegt werden.
- Zur Finanzierung des Beitragsausfalles und der Entschädigungslösung für vor 2004 abgeschlossene Direktversicherungen, die eher mit 10 anstatt mit 40 Milliarden Euro zu veranschlagen sind, wird die überfällige Einführung von kostendeckenden Beiträgen zur GKV für die Bezieher von ALG II aus Steuermitteln vorgeschlagen.
Flankiert wurden die Forderungen des DVG von dem als unabhängigen Experten geladenen Prof. Dr. Karl-Jürgen Bieback, der betonte, dass Betriebsrenten ohne nennenswerten Unterschied zur privaten Vermögensanlage nicht verbeitragt werden sollten. Als solche sieht er Betriebsrenten vor allem mit Kapitalauszahlung, bei denen der Arbeitgeber nichts oder nur einen kleinen Teil dazu beigetragen hat. Hier ist der Bezug zum Arbeitgeber rein formal definiert und zu überdenken. Vor 2004 gäbe es große Gruppen, die vollständig aus ihrem Nettoeinkommen gezahlt und bei denen reine Kapitalzahlung vereinbart wurden. Auch trägt hier das Versicherungsunternehmen nicht das Risiko der Langlebigkeit; schon deshalb handele es sich nicht um ein rentenähnliches Einkommen.
Trotz juristische Klärung durch das Bundessozialgericht und verfassungsrechtlicher Gültigkeit gab es hier also ein unmissverständliches Plädoyer für eine erneute Überprüfung!
Die Fraktion DIE LINKE hatte gleichzeitig einen eigenen Antrag vorgelegt, der weit über den Gesetzentwurf der Koalition hinausgeht und die Wiedereinführung des halben Beitragssatzes auf alle Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) und den kompletten Verzicht auf die Beitragspflicht für vor 2004 abgeschlossene Direktversicherungen vorsieht. Vom rentenpolitischen Sprecher der LINKEN, Matthias W. Birkwald, nach der Bewertung dieses Antrages befragt, führte Bieback aus: Die Wiedereinführung des halben Beitragssatzes würde jetzt das wieder einführen, was lange Zeit gegolten hat. Für den halben Beitragsteil hatte der Gesetzgeber damals auch mehrfache gute Gründe, die auch noch heute gelten. Zusätzlich würden die Ungerechtigkeiten durch die pauschalierende Herangehensweise mit dem halben Beitragssatz auf alle Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge natürlich ausgeglichen werden. Der komplette Verzicht auf die Beitragspflicht für vor 2004 abgeschlossene Direktversicherungen lässt sich darüber hinaus schon daraus rechtfertigen, dass ein Teil der Direktversicherungen bis dahin überhaupt nicht beitragspflichtig war.
In informellen Gesprächen im Anschluss an die öffentliche Anhörung war von Rentenpolitikern insbesondere aus der FDP-, der SPD- und der LINKEN-Fraktion zu hören, dass man doch noch versuchen würde, bis zum 11. oder 12.12. (1. bzw. 2. und 3. Lesung des Gesetzes) kleinere Verbesserungen zu erreichen. Ralf Kapschack, der rentenpolitische Sprecher der SPD, versicherte, dass Beschlusslage der Fraktion nach wie vor die Abschaffung der Doppelverbeitragung sei, so wie es zuvor der frisch gekürte Bundesvorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans bereits zum Auftakt des SPD-Parteitages einer Delegation von protestierenden DVG-Mitgliedern versichert hatte.
Die Hoffnung der Regierungskoalition, dass das Thema Doppelverbeitragung von Direktversicherungen und Betriebsrenten damit vom Tisch wäre, wird sich also vorerst nicht erfüllen.
Die Pressemitteilung steht hier zum Download zur Verfügung.
Die Reden der Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, FDP, AfD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen in der Mediathek des Parlamentsfernsehens.