Transparenz

Was der „Volksvertreter“ Max Straubinger (CSU) von sozialer Gerechtigkeit und von Transparenzregeln des Bundestags hält . Das dürfte viele sprachlos machen.

von Michael Rahnefeld und Helmut Achatz

Der Bundestag musste den Abgeordneten Max Straubinger von der CSU offiziell rügen, weil er konsequent seine Nebeneinkünfte verschwieg und sie erst nach wiederholter Mahnung veröffentlichte – laut „Welt“ sogar rund 20 Mal. Wobei, was heißt schon „veröffentlicht“. Die breite Öffentlichkeit erfährt nur ungefähr, wie viel Allianz-Mann Straubinger vom Versicherungskonzern bekam. Da ist die Rede von Stufen – und das können bei Stufe 8 beispielsweise etwas mehr 100 000 Euro sein oder 150 000 Euro. Alle Nebeneinkünfte zusammengenommen, kommt der Volksvertreter locker auf 150 000 Euro pro Jahr. Das erfährt der Bürger aber nur, weil Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Transparenzregeln anmahnte, wie von „abgeordnetenwatch“ berichtet.

Straubinger ist der Politiker, der die Direktversicherungsgeschädigte im Kampf gegen die Beseitigung des Unrechts der Doppelverbeitragung konsequent ausbremst, blockiert und als unsolidarisch hinstellt. Was aus Straubingers Sicht als Ex-Generalvertreter der Allianz (bis Ende September 2019) verständlich ist, schließlich verdient die Allianz und damit auch er mit Direktversicherungen gutes Geld. Gleichzeitig betont Straubinger jedoch, dass er die Interessen der Bürgerinnen und Bürger seiner bayerischen Heimat vertritt. Es ist nur schwer vorstellbar, dass in seinem Wahlkreis keine Direktversicherten wohnen, die wegen der Doppelverbeitragung ihrer Kapitallebensversicherung annähernd 20 Prozent ihrer Auszahlung an die Kranken- und Pflegeversicherung verlieren.

Straubinger “stolz” auf …

Aber lassen wir Straubinger selbst zu Wort kommen: „Ich bin stolz darauf, dass mir die Bürger meines Wahlkreises Rottal-Inn seit dem Jahr 1994 ununterbrochen ihr Vertrauen als ihr Bundestagsabgeordneter schenken. Diese Position ermöglicht es mir, bei wichtigen Entscheidungen in der Fraktion oder in Plenardebatten mitzuwirken und die Interessen der Bürgerinnen und Bürger meiner bayerischen Heimat und meines Wahlkreises nachhaltig zu vertreten.“ Mit diesen Sätzen stellt sich der bayerische CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger auf seiner Website dem Bürger vor. Dem Bundestag gehört Straubinger seit 1994 an; Straubinger vertritt als direkt gewählter Abgeordneter den Wahlkreis 230. Als ehemaligem Betriebsrat seien ihm soziale Fragen – insbesondere aus Sicht der Arbeitnehmer – wichtig, betont Straubinger auf seiner Website. Allerdings sieht der CSU-Sozialexperte die soziale Gerechtigkeit ohnehin nicht gefährdet, den Deutschen gehe es besser als jemals zuvor, hat er immer wieder in Diskussionsrunden unterstrichen. Und wer weiß, dass Straubinger bis Herbst des vergangenen Jahres Generalvertreter der Allianz war, für den ist es nicht verwunderlich, dass er die Direktversicherungen preist und für seine Fraktionskolleginnen und -kollegen im Bundestag im Juni 2019 auch die Argumentationshilfen für eine Verbeitragung von Direktversicherungen und betrieblicher Altersversorgung (BAV) zu Papier gebracht hat.

Straubingers soziale Gerechtigkeit

Soziale Gerechtigkeit bekommt dabei den Anstrich eines Max Straubinger. Er führt seinen Bundestagskollegen bei einer Abschaffung der Doppelverbeitragung ein Milliardenspiel vor Augen, das nicht finanzierbar sei. Wie schnell der Bund mal kurz 166 Milliarden aus dem Hut zaubert, das wurde uns jetzt zur Corona-Zeiten auf eindrückliche Weise vorgeführt. Mit der Struktur der Versichertenzusammensetzung versucht Straubinger dann seine Bundestagskollegen zu überzeugen, dass finanziell schlechter gestellte Bevölkerungsschichten den Beitragsausfall der – so wörtlich – „leistungsfähigeren Rentner“ mittragen müssten. Und natürlich unterstreicht er auch immer wieder, dass die Regelungen von Bundesverfassungsgericht und Bundessozialgericht abgesegnet sind. „Wollen wir wirklich die Beitragsleistungen zu Lasten der jungen erwerbstätigen Generation verschieben“? fragt er im Juni des vorigen Jahres seine Fraktionskollegen. Andere Lösungen werden schon gar nicht ins Auge gefasst.

Dabei nimmt es der CSU-Abgeordnete bei den eigenen Belangen nicht so genau. Wie jetzt der Blog abgeordnetwatch.de berichtet, verstieß Straubinger jahrelang  mit dem Wissen des Bundestags gegen Transparenzpflichten. Offenbar wurde es jetzt dem Bundespräsidium zu viel, im April 2020 wurden formal eine Reihe von Verstößen festgestellt. Allerdings erregen solche Konsequenzen in Zeiten von Corona nur wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Ob und wie die Verstöße geahndet oder überhaupt geahndet werden? Vermutlich gar nicht.

Wenn Unrecht zu Recht wird

Der Verein der Direktversicherungsgeschädigten DVG sollte auf jeden Fall seine Ziele weiterverfolgen, denn Unrecht wird nicht zur Recht, wenn man es nur oft genug dazu machen lässt. Und im Bundestag sitzen momentan auch noch andere Abgeordnete, die andere Sichtweisen haben als der „Volksvertreter“ Straubinger, der Kämpfer für eine Doppelverbeitragung.

Martin Reyher, Redaktionsleiter von abgeordnetenwatch zu Straubingers Verständnis von Transparenz:

 

In der Drucksache werden weit mehr als ein Dutzend Fristüberschreitungen aufgeführt, in keinem einzigen Jahr seit 2011 hielt sich der CSU-Abgeordnete demnach an die Verhaltensregeln. Die Verstöße betreffen Straubingers außerparlamentarische Tätigkeiten als Generalvertreter der Allianz-Versicherung, die er im Herbst 2019 aufgab, sowie als Beirat des bayerischen Sparkassenverbandes und als Landwirt. Nach Angaben auf seiner Bundestagsseite erhielt der CSU-Politiker für diese Tätigkeiten seit 2011 mehr als 700.000 Euro brutto – über viele Zahlungseingänge wurde die Öffentlichkeit mehrere Monate bzw. Jahre im Unklaren gelassen.

Was sagt Max Straubinger dazu?

Er hat auf einen Hinweis von Franz B. reagiert. Hier seine Antwort im O-Ton:

Sehr geehrter Herr B.,

Vielen Dank für die Übersendung des Artikels des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten. Wie wichtig eine gute Gesundheitsversorgung ist, zeigt sich gerade in diesen Wochen. Ohne ausreichende Finanzmittel könnte unser leistungsfähiges Gesundheitssystem nicht diese Leistungen erbringen. Hätte ich in dieser Frage nachgegeben, wäre ich wohl als Lobbyist der Versicherungswirtschaft gebrandmarkt worden.
Was wäre Ihnen lieber?
Ich habe immer aus freien Stücken und ohne Anmahnung des Bundestagspräsidenten meine beruflichen Einkünfte dargelegt. Wenn dem nicht so wäre, hätte die Bundestagsverwaltung diese ja nicht veröffentlichen können. Mein Fehler war, die Dreimonatsfrist um 4 bis 8 Wochen nicht eingehalten zu haben. Das tut mir Leid, hat aber bis 2018 niemand interessiert und es wurde auch nichts verborgen. Die Nichtangabe meines Umsatz aus der Landwirtschaft beruht auf zweideutiger Formulierung in den Darlegungen. Eine Abhängigkeit jedweder Art bei Bewirtschaftung von 6 Hektar Landwirtschaft werden wohl auch Sie als abenteuerlich ansehen.
Ich hoffe das ich mit meinen Ausführungen ihr Informationsbedürfnis gestillt habe und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Max Straubinger