In diesen Tagen bekommen Millionen von gesetzliche Krankenversicherten die Ankündigung höherer Beiträge ihrer Krankenkassen. Teilweise erhöhen sie den Zusatzbeitrag um 70 Prozent.
Im kommenden Jahr bekommen Millionen von Beitragszahlern die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie zu spüren, denn Gesundheitsminister Jens Spahn greift in die Rücklagen der gesetzlichen Krankenkassen. Was die Krankenkassen wiederum zwingt, die Zusatzbeiträge zu erhöhen.
Krankenkassen erhöhen Beiträge
Besonders drastisch steigt der Zusatzbeitrag bei der Techniker Krankenkasse – von 0,7 auf 1,2 Prozent, was einer Steigerung um 0,5 Prozentpunkte oder 70 Prozent entspricht. Damit zahlen Direktversicherte und Betriebsrentner 2021 trotz höherem GKV-Freibetrag insgesamt höhere Beiträge. Der Freibetrag wird durch die Erhöhung des Zusatzbeitrags der Krankenkassen konterkariert.
Treffen wird sie der höhere Beitrag erstmals Mitte Februar 2021, weil die Zahlung an die Krankenkassen immer am 15. des jeweils folgenden Monats fällig ist.
Bei mir ist die Information am 28. Dezember 2020 angekommen. Hier der Wortlaut des TK-Briefs, denn vermutlich Hunderttausende ebenfalls betreffen wird:
Sie haben es sicher bereits der Presse entnehmen können: Unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie hat das Bundesministerium für Gesundheit den gesetzlichen durchschnittlichen Zusatz-Beitragssatz für das Jahr 2021 angehoben. Auch wir müssen zum 1. Januar 2021 unseren Zusatz-Beitragssatz anheben. Er steigt um 0,5 Prozentpunkte und beträgt 1,2 Prozent.
Durch unser wirtschaftliches Handeln und viele Innovationen hat die TK den Zusatz-Beitragssatz seit 5 Jahren nicht erhöhen müssen. So schaffen wir es auch weiterhin, unseren Zusatz-Beitragssatz unter dem gesetzlichen durchschnittlichen Zusatz-Beitragssatz von 1,3 Prozent zu halten …
Steigt der Zusatz-Beitragssatz einer Krankenkasse, besteht ein Sonder-Kündigungsrecht bis zum Ende des Monats, für den der neue Beitragssatz zum 1. Mal gilt. Sollten Sie im Januar eine neue Krankenkasse wählen, endet die Mitgliedschaft am 31. März. Die Zusatz-Beitragssätze aller Krankenkassen finden Sie im Internet unter gkv-zusatzbeitraege.de.
Für Beiträge aus Renten und Versorgungsbezügen, die die auszahlende Stelle direkt an uns abführt, gilt der neue Zusatz-Beitragssatz erst ab dem 1. März 2021. Außerdem erhöht sich der Freibetrag für Versorgungsbezüge und Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrente) auf maximal 164,50 Euro. Dieser Freibetrag wird nur in der Krankenversicherung berücksichtigt …“
Zu den Krankenkassen mit den höchsten Zusatzbeiträge gehören die BKK Herkules (2,2 Prozent) und die BKK Stadt Augsburg (2,7 Prozent); es folgen die BKK Karl Mayer (1,9) und die BKK Technoform (1,9); die SKD BKK verlangt 1,7 Prozent ebenso wie die Atlas BKK Ahlmann. Der Durchschnittssatz liegt bei 1,3 Prozent. Die günstigste bundesweite Krankenkasse ist zurzeit die HKK mit einem Zusatzbeitrag von 0,39 Prozent.
Ein Direktversicherter der BKK Stadt Augsburg zahlt somit (14,6 + 2,7 +3,05) 20,35 Prozent allein an Krankenversicherung. Bei der TK errechnet sich ein Betrag von 18,85 Prozent. Wer bei der HKK versichert ist, zahlt 18,04 Prozent. Das heißt, zwischen dem teuersten und dem günstigsten besteht eine Differenz von 2,31 Prozent. Dieser Satz gilt nur für Versicherte mit Kindern, denn Kinderlose zahlen 3,3 Prozent Pflegebeitrag, wodurch sich der Gesamtbeitrag beispielsweise bei der BKK Stadt Augsburg auf 20,6 Prozent bemisst.
Wer sich einen Überblick verschaffen will, konsultiert am besten die Seite „Krankenkassen Deutschland“, wo die Kassen und ihre Beiträge 2019 und 2020 aufgelistet sind. Mit dem Krankenkassen-Beitragsrechner den Beitrag 2019 errechnen. Auch die Seite gesetzlichekrankenkassen.de bietet einen Überblick über neuen Zusatzbeiträge ab 2021.
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Sonderkündigungsrecht
Erhöht eine Krankenkasse ihren Zusatzbeitrag, haben gesetzlich Versicherte laut „Haufe“ ein Sonderkündigungsrecht und können mit Ablauf von zwei Kalendermonaten wechseln. Bis einschließlich 31. Januar 2021 hat der Versicherte ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Krankenkasse ihre Beiträge zum Jahreswechsel erhöht. Wer das nutzen will, muss seine Kündigung bis zu diesem Stichtag bei seiner Krankenkasse eingereicht haben. Wer noch im Dezember 2020 kündigt und zu einer anderen Kasse wechselt, ist ab März 2021 Mitglied bei der neuen Krankenkasse. Die Bindefrist von 18 Monaten seit dem letzten Wechsel einer Krankenkasse entfällt.
Wie Spahn die Kassen plündert
2021 muss die AOK Sachsen-Anhalt einen Zusatzbeitrag erheben. Corona ist daran nur zum Teil schuld – die Zusatzaufgaben, die Gesundheitsminister Jens Spahn den Kassen aufbürdert, ist der Hauptgrund. Die AOK Sachsen-Anhalt war bislang die einzige ohne einen Zusatzbeitrag. Hier die Gründe für diesen Schritt (O-Ton AOK Sachsen-Anhalt):
Das milliardenschwere Defizit im Gesundheitsfonds zwingt viele Krankenkassen, ihre Zusatzbeiträge zu erhöhen. Auch die AOK Sachsen-Anhalt musste ihren Zusatzbeitrag für das kommende Jahr auf 0,6 Prozent anpassen. Dennoch gehört Sachsen-Anhalts größte Krankenkasse noch immer zu den günstigsten Kassen. Zudem bleiben alle Leistungen in vollem Umfang erhalten.
19.12.2020 / Magdeburg – Der Verwaltungsrat der AOK Sachsen-Anhalt hat in seiner Sitzung am 15. Dezember für das kommende Jahr einen Zusatzbeitrag von 0,6 Prozent beschlossen. Dieser wird paritätisch zwischen Versicherten und ihren Arbeitgebern aufgeteilt. Alle Leistungen der Krankenkasse bleiben erhalten. Nachdem die AOK Sachsen-Anhalt gerade erst im vergangenen Jahr ihren Zusatzbeitrag auf null Prozent gesenkt hatte, zwingt die Politik die Kasse nun zu diesem Schritt.
Denn um das Defizit von 16,6 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds abzubauen, greift die Bundesregierung massiv in die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen ein. Zwar beteiligt sich die Bundesregierung mit rund fünf Milliarden Euro, doch den weitaus größten Teil von insgesamt 11,6 Milliarden Euro sollen allein die Beitragszahler aufbringen: Der durchschnittliche Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherungen wurde für 2021 um 0,2 auf 1,3 Prozentpunkte angehoben. Um den Rest des verbleibenden Defizits auszugleichen, zieht die Bundesregierung acht Milliarden Euro aus Rücklagen der Krankenkassen ein.
Verwaltungsrat kritisiert ungerechte Belastung der Beitragszahler
„Unsere Rücklagen waren für die ständig steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen vorgesehen, für Investitionen in eine bessere Gesundheitsversorgung und dafür, den Zusatzbeitrag stabil zu halten. Die Bundesregierung enteignet uns nun de facto von dieser Finanzreserve. Sachsen-Anhalt trifft das hart: Allein die AOK muss 413 Millionen Euro abgeben, insgesamt werden 500 Millionen Euro aus unserem Bundesland abgezogen – einer strukturschwachen, überwiegend ländlich geprägten Region, die in Krankheitsstatistiken, wie z.B. bei Diabetes oder Herzerkrankungen, oftmals einen traurigen, ersten Platz belegt“, erklärt Traudel Gemmer, Vorsitzende des Verwaltungsrates und Vertreterin der Arbeitgeberseite.
„Diese Belastung der Beitragszahler ist höchst ungerecht. In Pandemiezeiten, in denen viele Menschen von Kurzarbeit betroffen sind oder gar um ihren Arbeitsplatz fürchten, kommt das zur Unzeit. Es ist ein Affront gegen die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen. Zum wiederholten Mal greift die Bundesregierung nach ihrem Geld und entmündigt obendrein noch die soziale Selbstverwaltung. Gerade jetzt brauchen wir dringend diesen finanziellen Spielraum“, sagt Susanne Wiedemeyer, alternierende Vorsitzende des Verwaltungsrates der AOK Sachsen-Anhalt und Vertreterin der Versichertenseite.
Gesetze als Kostentreiber
Die Ursache für die Finanzmisere liegt nur zum kleinen Teil in der Corona-Pandemie. Die geschätzten Mehrausgaben werden im kommenden Jahr etwa 3,4 Milliarden Euro betragen. Doch weitaus mehr Geld kosten die Beitragszahler die Gesetze der aktuellen Legislaturperiode. So belastet beispielsweise allein das Pflegepersonalstärkungsgesetz die Kassen im kommenden Jahr mit fast 2,5 Milliarden Euro. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz schlägt mit 2,3 Milliarden Euro zu Buche. Diese Mehrausgaben addieren sich insgesamt auf rund 10 Milliarden Euro im Jahr 2021. Für das Jahr 2022 müssen gesetzlich Krankenversicherte nochmals mit einer Belastung von 10 Milliarden Euro allein durch die Gesetzgebung rechnen. Und das alles, ohne die Versorgung der Versicherten spürbar zu verbessern.