Rentnerinnen sind die Dummen

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Mit großformatigen Anzeigen reitet die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) eine Attacke gegen die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland. Ein 30-köpfiges Expertenteam fordert von der künftigen Bundesregierung ein Wiedereinführen des Nachholfaktors in der Rente – und setzt sich durch. Die Folgen bekommen Rentnerinnen und Rentner schon 2022 zu spüren.

Von Karin Tutas

„Wir werden den sogenannten Nachholfaktor in der Rentenberechnung rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022 wieder aktivieren und im Rahmen der geltenden Haltelinien wirken lassen. So stellen wir sicher, dass sich Renten und Löhne im Zuge der Coronakrise insgesamt im Gleichklang entwickeln und stärken die Generationengerechtigkeit ebenso wie die Stabilität der Beiträge in dieser Legislaturperiode.“ Das steht so im Koalitionsvertrag und bedeutet, dass die Renten 2022 nur um die Hälfte steigen werden. Initiator dieser Verschlechterung für Rentner war die FDP, hat sie doch schon im Oktober 2020 dafür plädiert.

Dank der Rentengarantie seien die Rentengarantien trotz extremer Lohneinbrüche während der Corona-Pandemie nicht gekürzt worden. „Um die Beitragszahler nicht unnötig zu belasten, ist es aber spätestens jetzt an der Zeit, den Nachholfaktor wieder einzusetzen, damit die Renten – und damit die Rentenbeiträge – nach der Pandemie nicht stärker steigen als die Löhne“, heißt es in der Anzeige. „Klingt fair, oder?“, so die rhetorische Frage. Die jetzt nicht mehr rhetorisch ist. Die Arbeitgeber haben sich wieder einmal durchgesetzt.

Rentnerinnen und Rentner ausgebootet

Dass die von Arbeitgeberverbänden finanzierte Lobbyorganisation  INSM (ein Tochterunternehmen des Instituts der deutschen Wirtschaft) mit einem Jahresetat von sieben Millionen Euro ein seltsames Verständnis von Fairness hat, muss nicht weiter verwundern. Schließlich hat sie sich in der Vergangenheit immer wieder mit umstrittenen Kampagnen ihren Einfluss geltend gemacht. In den 2000er Jahren spielte die INSM eine zentrale Rolle bei der Diskussion um die Rentenversicherung in Deutschland und sprach sich für private Altersvorsorge aus (Quelle Wikipedia). Was Wunder, dass eine von Arbeitgebern finanzierte Organisation die Senkung von Lohnnebenkosten erwirken will, in dem die Renten gekürzt werden. Schlimm ist aber, dass das auch gelingt. So bei den Kürzungen von Sozialleistungen durch die damalige rot-grüne Bundesregierung. Die Folgen des 2003 beschlossenen Gesundheitsmodernisierungsgesetzes bekommen alle jene, die über Direktversicherungen privat fürs Alter vorgesorgt haben, schmerzlich zu spüren. Fast 20 Prozent ihrer Ersparnisse kassieren die Krankenkassen. Es sieht so aus, dass die künftigen Koalitionspartner ihr Versprechen brechen, die ungerechte Doppelverbeitragung aufzuheben. Im 178-seitigen Koalitionsvertrag steht nichts mehr davon drin, obwohl die SPD das in ihrem Wahlprogramm versprochen hat.

30 führende Expertinnen und Experten des deutschen Rentensystems fordern: Damit die Rente gerecht bleibt, muss die neue Koalition den Nachholfaktor wieder einsetzen.                              Bild: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)

 

Lobby ruiniert Altersvorsorge

Unter den 30 Unterzeichnern der INSM-Anzeige – allesamt Akademiker – finden  sich übrigens alte „Bekannte“ wie die Professoren Bernd Raffelhüschen und Axel Börsch-Supan, die seit Jahren – ungeachtet der Fakten – die Mär von der steuerfinanzierten Rente verbreiten und uns weismachen wollen, die Demografie sei schuld an der Schieflage der gesetzlichen Altersvorsorge. Dass das auf mittlerweile rund 900 Milliarden Euro angewachsene Loch in der Rentenkasse vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Politik seit den 50er Jahren ungeniert hineingreift, um gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu finanzieren, wird mit geradezu stoischer Ungerührtheit ignoriert.

Da spielt es auch keine Rolle, dass Beamtenpensionen – ungeachtet der Steuerausfälle durch die Corona-Pandemie in den vergangenen beiden Jahren erhöht wurden, während Rentner 2021 eine Nullrunde hinnehmen mussten. Auch dass Beamte im Durchschnitt dreimal so viel Alterssalär bekommen wie die Rentner – ohne einen Cent für ihre Altersversorgung zu berappen – bekommen, wird von den gut dotierten Professoren gern unterschlagen. Auf deren Reformvorschläge für die Rente können wir gern verzichten.

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