Offener Brief an Friedrich Merz

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Ob der frisch gewählt CDU-Chef Friedrich Merz zu einem Neuanfang fähig ist – versprochen hat er es, aber Politiker versprechen ja viel. Daran erinnert ihn der Verein der Direktversicherungsgeschädigten in einem offenen Brief.

Von Michael Rahnefeld

Zunächst einmal Glückwunsch, Herr Merz. Nun sind Sie Vorsitzender der CDU, Konkursverwalter einer vormals großen Volkspartei in Deutschland, die sehr lange die Regierung in Deutschland mit gebildet hat und jetzt wohl für viele Jahre die Opposition anführen wird.

Die Hauptaufgaben von Merz

Eine Ihrer Hauptaufgaben, Herr Merz, wird es in den nächsten Monaten sein, zu analysieren, wie es zu diesem Desaster kommen konnte. Dabei wollen wir Ihnen gerne helfen. Wir, das sind knapp 4000 Mitglieder einer Organisation – besser gesagt eines Vereins – der permanent anwächst und sich schon seit mehr als sechs Jahren dafür einsetzt, dass einer der größten legitimierten Sozialbetrugsfälle in Deutschland beendet, korrigiert und seine Opfer entschädigt werden und darüber hinaus die Interessen aller, die sich von der Politik um Teile ihrer Altersvorsorge geprellt fühlen, vertritt.

Es sind allerdings nicht nur die knapp 4000 Mitglieder dieses Vereins der Direktversicherungsgeschädigten (DVG), die durch eine sehr fragwürdige gesetzliche Regelung um ihre Vorsorgeersparnisse geprellt und dafür bestraft werden, dass sie auf Empfehlung der Politik noch in ihrem Arbeitsleben ihre Alterssicherung aktiv und mit finanziellem Aufwand gestaltet haben. Nein, es sind über sechs Millionen Betroffene – Rentner, Betriebsrentner, Selbstständige –, die vorgesorgt haben und dafür von unserem Staat gnadenlos abgezockt werden.

CDU hat Beifall geklatscht

Eingefädelt hat diesen Diebstahl die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder mit der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Die CDU, damals in der Opposition, hat Beifall geklatscht für das sogenannte Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG), das den damals „notleidenden Krankenkassen“ zu mehr Geld verhelfen sollte. Die Auswirkungen dieses Gesetzes sind verheerend, weil den Menschen rund ein Fünftel ihrer Vorsorgerücklagen weggenommen werden. Ganz infam dabei, dass rückwirkend auf vor 2004 bestehende Verträge zugegriffen wird und die Ersparnisse als Versorgungsleistungen deklariert werden, auf die letztlich zehn Jahre lang Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet werden müssen, und zwar der Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil.

Altersvorsorger vorgeführt

Einzig richtig erkannt hat das in Ihrer Partei zumindest ihr Parteifreund, Hans-Jürgen Irmer aus Wetzlar, der Vorsitzende  des CDU-Kreisverbandes Lahn-Dill. Ihm war offenbar klar, dass man mit diesen Machenschaften Vertrauen in die Politik zerstört und Menschen (Wähler!) damit verprellt. Im Blick auf die Bundestagswahl im September 2021 versuchte Irmer bereits im Mai 2021 im beginnenden Bundestagswahlkampf den CDU-Spitzenkandidaten zu veranlassen, sich dieser Problematik anzunehmen. Vergebens. Armin Laschet hat seinen Parteifreund vollkommen ignoriert und selbst ein Nachhaken über CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verhallte im Nichts. Irmer schrieb damals unter anderem an Laschet (das Schreiben liegt uns vor, hier einige Auszüge):

„Als Kreisvorsitzender der CDU Lahn-Dill und als Bundestagsabgeordneter möchte ich mir erlauben, Sie und die Spitzen der Union dringend darum zu bitten, ein Thema aufzugreifen, das etwa sechs Millionen Menschen betrifft. Sechs Millionen, die auf Anraten des Staates eine private Altersvorsorge abgeschlossen haben, und zwar in Form unterschiedlicher Modelle, teilweise kofinanziert durch den Arbeitgeber, teilweise alleine finanziert durch Beiträge aus dem bereits versteuerten Nettoeinkommen. Sie alle haben dies gemacht im Vertrauen auf die Zusagen des Staates, wonach in der Auszahlungsphase nur der halbe Beitragssatz an die gesetzliche Krankenversicherung und die Sozialversicherungsträger zu entrichten ist. Eine durchaus attraktive Anlageform.

CDUler nicken alles ab

Sie haben genau das gemacht, was wir heute erneut aktuell predigen, nämlich privat für das Alter vorzusorgen – und sie sind bitter enttäuscht worden. In meinen Augen sind sie betrogen worden, denn der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2004, verantwortlich damals die sozialdemokratische Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und der heutige SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gemeinsam mit den Grünen, das sogenannte Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Bundestag verabschieden lassen. In einer ‚Nacht- und Nebel-Aktion‘, ausgelöst durch Horst Seehofer (CSU), stimmte die Union plötzlich noch zu, obwohl an dem Morgen der Abstimmung gefühlt 95 Prozent der Abgeordneten, zumindest der Union, nicht wussten, was in der Nacht verändert wurde. Ein unsägliches Verfahren zu Lasten vorausdenkender Arbeitnehmer.

Mit diesem Beschluss müssen seither ca. 20 Prozent der angedachten Ersparnisse über einen Zeitraum von zehn Jahren abgeführt werden, wobei eine einmalige Abführung noch nicht einmal möglich ist für die, die das eventuell wollen. Und wenn man Pech hat, je nach Höhe der Zahlung, greift der Fiskus in Form des Finanzamtes zu und kassiert noch einmal einen zusätzlichen Betrag.“

Staatliches Raubrittertum

Und weiter schreibt Ihr Parteifreund an Laschet:

Das, was hier geschehen ist, ist in meinen Augen staatliches Raubrittertum, auch wenn es per Bundestagsbeschluss formal juristisch legitimiert wurde. Für mich stellt sich die Grundsatzfrage, losgelöst von den finanziellen Verlusten der Betroffenen, welches Maß an Glaubwürdigkeit hat Politik allgemein formuliert noch, wenn – wie leider nicht nur in diesem Fall – Beschlüsse rückwirkend hinfällig werden. Ich würde persönlich mit einem solchen Staat, der sein Wort derart massiv gebrochen hat, keine finanzielle Zukunftsentscheidung mehr treffen, weil ich nicht weiß, ob das, was heute zugesagt wird, übermorgen noch gilt. Solche Politik erschüttert das Vertrauen in die politisch Handelnden. Es erschüttert das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit, in die Demokratie.

Deshalb halte ich es für zwingend notwendig, dass wir als Union im Rahmen des Wahlprogrammes ein deutliches Signal geben, dass wir hier zwingend Änderungen benötigen.“

Ja, sehr geehrter Herr Merz, das war von Herrn Irmer, der es bei der Bundestagswahl dann nicht geschafft hat, in den nächsten Bundestag zu kommen, eine sehr fundierte Hilfestellung, um im Wahlkampf Wähler für die CDU zu generieren. Er unterstreicht das am Ende seines Schreibens mit den Worten:

„Lieber Herr Laschet, ich weiß, dass Sie Argumenten zugänglich sind. Mir geht es erstens um die Frage der Glaubwürdigkeit im Sinne der Direktversicherungsge­schädigten, die im Übrigen eine Bürgerinitiative gegründet haben, und es geht mir auch um die politische Bedeutung von sechs Millionen direkt Betroffener und ihrem Umfeld“.

Null Ahnung, null Empathie, null Strategie

Und wie reagiert darauf der Spitzenkandidat der Union Armin Laschet? Gar nicht. Er beantwortet noch nicht einmal das Schreiben seine CDU-Kreisvorsitzenden. Letzterer hakt gut einen Monat später über CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nach, auch dieser „verschnarcht“ offenbar ein so wichtiges Thema für ein großes Wählerpotenzial.

Wenn Sie jetzt also, lieber Friedrich Merz, den Niedergang der CDU im Jahr 2021 aufarbeiten, dann sollten Sie sich auch mit solchen Verhaltensmustern ihrer Parteispitze befassen und werden dabei erkennen, dass der Karren sehenden Auges an die Wand gefahren wurde.

Gute Wünsche für Oppositionsarbeit

Für Ihre künftige Arbeit wünscht Ihnen DVG viel Erfolg, vor allem mehr Gefühl für die Menschen in diesem Land, für ihre Sorgen und Nöte.

Wir grüßen Sie

dvg-ev.org