Schluss mit dem Flickenteppich! Alle sollen in die Rente einzahlen. Das fordert die „Linke“. Die Bundestagsabgeordneten sollen mit gutem Beispiel vorausgehen. Die Partei macht sich für eine tiefgreifende Rentenreform stark.
von Reiner Wellmann
Sollen die Bundestagsabgeordneten künftig im Ruhestand wie jeder Arbeitnehmer Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten – und auf ihre üppigen Versorgungsansprüche aus dem Bundeshalt verzichten? „Ja, wir wollen jetzt wachrütteln“, sagt Matthias Birkwald, Rentenexperte der Fraktion „Die Linke“ im Deutschen Bundestag. „Wir möchten, dass die Bundestagsabgeordneten als erste vorangehen bei der Reform der Rentenversicherung hin zu einer Erwerbstätigenversicherung“, sagte Birkwald jetzt in einer Online-Bürgersprechstunde seiner Fraktionskollegin Kathrin Vogler aus Emsdetten. Der Antrag wird am 30. Oktober in erster Lesung im Bundestag behandelt.
Auch Abgeordnete sollen zahlen
„Wir wollen auf Privilegien verzichten“, sagte Birkwald – und untermauert das mit einer Zahl. Um bis zu 73 Prozent würden die Abgeordneten dann ihre Altersversorgung kürzen. Dass dieser Antrag absolut ernst gemeint ist, beweist die Linke mit den Unterschriften aller 69 Abgeordneten ihrer Fraktion unter diesen Antrag. Unterstützung hat die Linkspartei nach Angaben von Birkwald von vielen Abgeordneten aus allen anderen Bundestagsfraktionen. „Nur die CDU/CSU will das überhaupt nicht“, berichtete der 59-Jährige Kölner aus den Vorgesprächen.
Damit die Bundestagsabgeordneten auch privat vorsorgen können, sollen Einzahlungen aus den “Diäten” beim Versorgungsverband bundes- und landesgeförderter Unternehmen e. V. möglich sein. Dort sind auch schon die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Abgeordneten zusätzlich neben der Rente versichert. Damit würde sich die Abgeordneten auch die Möglichkeit eröffnen, Direktversicherungen abzuschließen. Und die Damen und Herren Abgeordnete aller Couleur könnten höchstprivat erleben, wie es sich anfühlt, wenn von dieser zusätzlichen Altersvorsorge beim Renteneintritt 20 Prozent für die Krankenkasse fällig werden.
Die Gesetzesinitiative (Drucksache 19/17255) schlägt vor, dass eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gegründet wird, die die notwendigen Schritte bis hin zum Gesetzesentwurf ausarbeitet. Die neuen Regeln sollen dann für den 20. Bundestag gelten, der im September 2021 gewählt wird. In einem ersten Schritt sollen die Bundestagsabgeordneten vorangehen. Auf die Abgeordneten-Entschädigung (aktuell rund 10800 Euro) sollen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung fällig werden. Ansprüche nach altem Recht, so der Entwurf der Fraktion Die Linke, sollen ab Herbst 2021 nicht mehr entstehen. In einem zweiten Schritt sollen dann Minister, Richter, Beamte, Selbstständige, Landwirte und die anderen Gruppen in die Erwerbstätigenversicherung einbezogen werden.
„High noon“ am 30. Oktober
„High noon“ also am 30. Oktober in der Mittagsstunde im Berliner Reichstag. Der Punkt steht von 11.55 Uhr bis 13.05 Uhr mit einer Aussprache auf der Tagesordnung des Parlamentes, was im Bundestagsfernsehen sicher live übertragen wird. „Wir werben dafür, dass die Menschen hier in Deutschland in einen Topf einzahlen, so wie es die Menschen in Österreich schon tun“, sagte Birkwald weiter. Das Rentensystem in Österreich bezeichnete er als das beste in Europa. Das Rentenniveau liege deutlich über dem in Deutschland. Und in Österreich erhalten die Rentner sogar 14 Mal jährlich eine Rente ausgezahlt. Die Einbeziehung aller Erwerbstätigen sei dort auch in einem langjährigen Verfahren eingeleitet worden.
Mehr Öffentlichkeit für Rente
Für die Berliner Abgeordneten versprich sich Birkwald auch eine verbesserte Wahrnehmung, wenn sie später selbst eine Rente aus der Deutschen Rentenversicherung erhalten. „Wenn die Abgeordneten selbst einzahlen, dann werden sie schon eher überlegen, ob sie solche Kürzungsorgien für die Rente beschließen, wie das in den vergangenen Jahrzehnten geschehen ist“. Und weiter: „Dann werden sich die Kolleginnen und Kollegen auch genau überlegen, von wem sie sich künftig lobbymäßig bearbeiten lassen …“
Schluss mit der Doppelverbeitragung
Ungeachtet dessen forderte Birkwald auch ein „Ende des Schindluders, der mit der Doppelverbeitragung von Direktversicherten“ aktuell noch geschehe. Eine Abschaffung „ab morgen am allerbesten“, forderte der Abgeordnete. Die Betroffenen hätten in der Vergangenheit im Erwerbsleben bereits Krankenversicherungsbeiträge gezahlt, weil die Beiträge für die Direktversicherungen aus dem Nettolohn abgeführt wurden. „Diese Doppelverbeitragung gehört abgeschafft“, forderte Birkwald. Und junge Menschen warnte er vor dem Abschluss solcher Versicherungen. „Es sei denn, der Arbeitgeber übernimmt mindestens 40 Prozent der einzuzahlenden Beiträge“. Sonst lande der Betroffene mit dieser Form der Altersvorsorge im Minus.
Pensionen der Abgeordneten
Bund
„Ein Bundestagsabgeordneter muss mindestens zwei Legislaturperioden (acht Jahre) im Parlament durchhalten,
um sich eine Mindestpension von knapp 1700 Euro zu sichern. Gezahlt wird ab dem 65. Geburtstag.
Wer länger im Bundestag bleibt, kann früher Pension bekommen.
Ein Abgeordneter kann höchstens 4800 Euro nach 23 Parlamentsjahren bekommen, das aber ist bereits mit 55 Jahren möglich.“
Länder
„In jedem der 16 Bundesländer gibt es eigene Abgeordnetengesetze.
Beispiele: In Hessen erhalten Landtagsabgeordnete nach sechs Jahren 1.800 Euro Mindestpension ab dem 55. Geburtstag.
In Schleswig-Holstein beträgt diese mindestens 1400 Euro und wird nach acht Jahren ab dem 65. Lebensjahr gezahlt.“
Quelle: Rheinische Post
Bild: Deutscher Bundestag / Marc-Steffen Unger