misstrauen

Wenn der Staat klamm ist, darf er seine Bürger enteignen, wie bei Direktversicherungen. Ein Rentner hat dagegen geklagt, muss aber weiter Sozialbeiträge für seine Direktversicherung zahlen, obwohl bei Abschluss davon keine Rede war. Der Staat hatte den Vollbeitrag 2003 rückwirkend eingeführt.

Herbert Heins ist in Kassel vor dem Bundessozialgericht (BSG) mit seiner Klage gegen den Vollbeitrag auf seine Direktversicherung gescheitert. Das heißt, er muss auch weiterhin den doppelten Beitrag an die Kranken- und Pflegekasse zahlen, obwohl es bei Vertragsabschluss seiner Direktversicherung  keine Beitragspflicht gab. Das hat der Staat, sprich die rot-grüne Regierung unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder – mit aktiver Beihilfe von CDU/CSU – damals 2003 rückwirkend per Gesetz eingeführt.

Der 70Jährige ist durch alle Instanzen gegangen und hat nun auch vor dem BSG verloren (Az.: B 12 KR 1/19 R). Sein Argument, die Direktversicherung sei keine Rente, ließen die Richter nicht gelten. Der rebellische Rentner legte sogar ein Sprachgutachten vor, das argumentierte, eine Einmalzahlung aus „Direktversicherung“ sei keine „Versorgung“. Aber auch das ließen die Richter nicht gelten.

Enteignen gesetzlich abgesegnet

Für die Richter sei es irrelevant, ob der Arbeitgeber eine Versorgungszusage gegeben habe oder nicht. Es sei auch irrelevant, ob das Geld monatlich oder einmalig fließe. Darauf komme es nicht an, wie die „ZEIT“ das BSG zitiert. „Die Versicherung sei eine betriebliche Direktversicherung gewesen; eine zusätzliche ‚Versorgungszusage‘ durch den Arbeitgeber sei daher nicht erforderlich gewesen; maßgeblich sei, dass die Beiträge ‚ganz oder teilweise aus dem Arbeitsentgelt geleistet wurden‘“. Generell sei, zitiert die „ZEIT“ den Richter, davon auszugehen, dass eine Lebensversicherung (über den Betrieb abgeschlossen), die ab dem 60. Geburtstag ausbezahlt wird, der Altersvorsorge diene.

Vorsicht vor Vertragsabschluss!

Was lernen wir daraus: Vorsicht vor Vertragsabschluss! Was ein Altersvorsorger heute an Sozialversicherung und Steuern spart, muss er dann in der Renten berappen. Der Staat schenkt ihm nichts. Wer eine Direktversicherung abschließt, spart zwar heute, muss aber im Alter als gesetzlich Krankenversicherter, wenn er auf das Geld angewiesen ist, den volle Krankenkassenbeitrag plus Zusatz- und Pflegebeitrag zahlen. Das sind immerhin zurzeit noch annähernd 20 Prozent, könnten aber in zehn, 20 oder gar 30 Jahren locker 25 Prozent und mehr sein. Der vom DVG erkämpfte Betriebsrentenfreibetrag von zurzeit 159,25 Euro ist nur eine kleine Erleichterung und gilt auch nicht für den Pflegebeitrag, der sich mit großer Wahrscheinlichkeit von heute 3,05 Prozent (3,3 für Kinderlose) in den kommenden Jahren verdoppeln wird.

BSG
Zuschauer in der Verhandlungspause beim BSG                                       Bild: Reiner Korth

 

Nach neun Jahren juristischer Schlacht musste sich Heins dem „Hamburger Abendblatt“ zufolge von Richter Andreas Heinz, dem Vorsitzenden des 12. Senat des Bundessozialgerichtes, anhören, es komme nicht darauf an, ob er schon eine Betriebsrente habe, Heins‘ Direktversicherung sei eine „der Rente vergleichbare Einnahme“, die der Alterssicherung diene. Dabei sei es gleich, was Heins mit seinem Arbeitgeber im Jahr 1988 über den Zweck der Versicherung vereinbart habe. Das höchste deutsche Sozialgericht habe, zitiert das „Hamburger Abendblatt“ Richter Heinz, ein Wortlautverständnis, das an den Wortlaut des Gesetzgebers gebunden sei. Damit sei die Beitragsfestsetzung gesetzlich zulässig gewesen nach den §§ 226, 229, 237 SGB V, so der Richter. An die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers sei der Senat des BSG gebunden – und das heiße, eine Einmalzahlung sei dem Rentenbezug gleichzusetzen.

Staat begeht Vertrauensbruch

Die Techniker Krankenkasse (TK) – und gegen sie richtete sich Heins‘ Widerspruch – schreibt ihren Mitgliedern immer wieder, die gegen die Verbeitragung ihrer Direktversicherung widersprechen, „dass Regelungen mit Rückwirkung grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig sind und dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip entsprechen, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt“.

Das heißt im Umkehrschluss: Der Staat, in dem Fall der Gesetzgeber, darf per Sozialgesetz alles, auch rückwirkend enteignen – und er wird von den Gerichten darin bestätigt.

Herbert Heins im Sitzungssaal des BSG                                                                   Bild: Reiner Wellmann

 

Das „Hamburger Abendblatt“ schreibt ganz richtig: „Das Urteil hat weitreichende Folgen“. Durch das Billigen dieser Praxis hat das oberste Sozialgericht der Abzocke durch Staat und Krankenkassen endgültig grünes Licht gegeben. Niemand darf mehr darauf vertrauen, dass sein Angespartes vor dem Staat sicher ist, weil der auch rückwirkend in Verträge eingreift und den Bestandsschutz aushebelt. Damit entfällt auch das letzte Argument für eine Direktversicherung. Das muss allen Jungen eine Lehre sein, die immer noch auf Direktversicherungen setzen. Staatliche Förderung betrieblicher Altersvorsorge hat damit ihren Sinn verloren, wenn daraus ein Minus-Geschäft wird. Es ist nur zu hoffen, dass das möglichst viele Junge begreifen und ihre betriebliche Altersvorsorge stilllegen und besser selbst privat vorsorgen.

Was für Heins und viele andere mit einer Direktversicherung besonders schlimm ist – sie haben die Beiträge für ihre Direktversicherung oft aus ihrem Nettoeinkommen bezahlt haben und somit aus Einkünften, für die bereits die Sozialbeiträge abgeführt worden sind. Wenn sie dann die Summen entweder auf einen Schlag oder als monatliche Summe ausbezahlt bekommen, fallen aber erneut Beiträge für die Sozialversicherungen an. Die Betroffenen fühlen sich daher zweimal zur Kasse gebeten. Aber das sei unerheblich, urteilt der Richter des BSG.

“Was ergibt das für einen Sinn, wenn der Gesetzgeber in der Einzahlungsphase das Sparen fördert durch reduzierte Abgabensätze (Pauschalbesteuerung), um  hinterher dem Sparer mehr abzunehmen als er als Förderleistung erhalten hat; das kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben”, so Heins’ Anwalt Prof. Plagemann bei seinem Auftritt vor dem BSG am Mittwoch.

Bilder: Reiner Korth/Reiner Wellmann/ Manfred Grund auf Pixabay

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