Brief

Die geborene Dänin Martha Gollert fühlt sich in punkto betriebliche Altersversorgung von deutschen Politikern in die Falle gelockt. Sie bittet den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble per Brief um eine „gerechte Kurskorrektur“.

Als in Deutschland lebende Dänin hat sie kein Wahlrecht, deswegen versucht sie Wolfgang Schäuble, einen der obersten Repräsentanten dieses Staats per Brief die ihr widerfahrene Ungerechtigkeit eindringlich vor Augen zu führen. Sie fühlt sich von den meisten Politikern nicht ernst genommen.

Marthas Brief an Schäuble

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,

ich bin 66 Jahre alt und lebe seit fast 43 Jahre hier in Deutschland. Ich bin Dänin und habe daher kein Wahlrecht hier in Deutschland und kann somit nur versuchen, über die Kontaktaufnahme zur Politik gehört zu werden.

Ich – und rund sechs Millionen andere Arbeitnehmer und jetzige Rentner – haben Anfang der 80er auf Aufforderung der Politik Verträge über unsere Arbeitgeber abgeschlossen. Das war damals eine gute Sache, da das Rentenniveau bereits zu dem damaligen Zeitpunkt anfing zu sinken.
Diese Verträge wurden über Versicherungen abgeschlossen, mit dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und dem Arbeitnehmer als versicherter Person.
Um so viele Arbeitnehmer wie möglich dazu zu bekommen, solche Versicherungen abzuschließen, wurden diese mit verschiedenen Bonbons ausgestattet.

Meine Versicherung war wie folgt ausgestattet: Zahlung aus mein 13. Gehalt 1x jährlich, und nur durch mich, keine Zuschüsse der Firma. Die Einzahlung wurde steuer- und sozialversicherungsbeitragsfrei in die Versicherung eingezahlt. Der Arbeitgeber musste keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Es war klar, da keine Sozialversicherungsbeiträge auf den Jahresbeitrag gezahlt worden waren, dass bei Renteneintritt weniger Rente ausgezahlt werden würde. Genauso wie bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit weniger Geld gezahlt werden würde.

Den meisten von uns war klar, dass wir etwas für unsere Rente tun müssten, wollten wir im Rentenalter (nach einem langen Arbeitsleben) noch die letzten Jahre unseres Lebens nicht allzu sehr den Gürtel enger schnallen müssen.

Im Zuge der Reform der Gesundheitskasse 2003 wurde beschlossen, dass Betriebsrentner bei der Auszahlung ihrer ‚Betriebsrente‘ Krankenkassenbeiträge und Pflegeversicherung in voller Höhe zahlen müssten.

Soweit so gut, aber dieses Gesetz wurde rückwirkend eingeführt. Das bedeutete für alle, die bereits in den 80ern und bis 30.12.2003 Verträge abgeschlossen hatten, in der Falle saßen. Die Verträge konnten wir nicht kündigen, da unsere Arbeitgeber Versicherungsnehmer war. Wir konnten die Versicherungen ruhen lassen, müssten aber trotzdem bei Fälligkeit auf das Geld, das wir angespart hatten, zahlen. Das ist die größte Ungerechtigkeit und hat zu großem Vertrauensverlust in der Politik geführt.

Es wurde nun letztes Jahr ein Freibetrag eingeführt, der uns entlasten soll. Die Politik meint nun, sie hätten ihre Schuldigkeit getan. Das ist aber weit gefehlt.
Ich beschreibe kurz meinen Vertrag:
Ich habe mit 60 Jahren rund 34.000 Euro ausgezahlt bekommen – aufgrund der schlechten Ertragslage rund 6.000 Euro weniger als prognostiziert. Da ich gewählt hatte, die Summe in einem Betrag zu bekommen, sagt § 226 des 5. Bundessozialgesetzbuchs, dass die Summe über 120 Monate aufgeteilt werden soll und ich dann von der Summe 19,85 Prozent an die Krankenkasse zahlen muss – und das zehn Jahre lang. Das sind annähernd 7.000 Euro. Wenn ich davon ausgehe, dass ich 20 Jahre Rente bekomme, habe ich durch die nicht gezahlten Rentenbeiträge rund 14.500 Euro Rentenverlust. Eingezahlt habe ich 16.000 Euro, insgesamt rund 37.000 Euro gegenüber rund 34.000 Euro Versicherungssumme. Da nützt es mir auch nichts, dass ich die letzten vier Jahre rund 25 Euro weniger bezahlen muss. Worüber ich bis jetzt noch keinen Bescheid erhalten habe.

Die zweite Ungerechtigkeit besteht darin, dass, wenn ich wirklich als Betriebsrentner behandelt und nicht nur so genannt werden würde, ich gar keine Beiträge zur Krankenkasse hätte zahlen müssen. Denn dann wäre meine Versicherungssumme nicht durch 120 Monate, sondern mindestens durch 240 Monate geteilt worden. Das wäre einer monatlichen Rente von rund 142 Euro gleichgekommen und wäre somit unter der Freigrenze – jetzt Freibetrag.

Die Krankenkassen haben einfach bestimmt, dass diejenige, die ihre Versicherungen in einer Summe ausgezahlt bekommen, überproportional zahlen müssen gegenüber denjenigen, die sich ihre Versicherung monatlich auszahlen lassen.

Wir, die bereits unter diese Ungerechtigkeiten leiden, sind alle Rentner und wir haben ein Leben lang gearbeitet, haben Geld in die Sozialkassen eingezahlt, haben Steuern und Soli gezahlt. Vielleicht haben einige von uns auch nicht mehr so viel Zeit, denn das Leben ist endlich. Ich frage mich, ob es wirklich sein kann, dass die Politik so mit uns umspringen darf. Ich habe bei manchen das Gefühl, dass sie denken, wir seien irgendwann alle sowieso tot.

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble, bitte sprechen Sie mit den Vorsitzenden der verschiedene Parteien und fordern Sie sie auf, eine gerechte Kurskorrektur zu machen. Und das bitte nicht erst in zehn Jahren. Ich weiß, dass das Geld kosten wird, aber davon gibt es, wenn nötig, immer noch genug. Es kann nicht sein, dass wir immer vor Gericht gehen müssen.

Ich habe folgende Politiker in den letzten Jahren angeschrieben:
Sigmar Gabriel antwortete: ‚Ich soll solidarisch sein‘.
Jens Spahns Antwort: ‚Ich koste den Krankenkassen als Rentner mehr Geld als ich einzahle, daher ist es gerecht, wenn ich jetzt mehr zahlen muss‘.
Olaf Scholz‘ Antwort: keine
Angela Merkels Antwort: keine
Von Max Straubinger (CSU) kam ein komischer Anruf.  Ihm können Sie die Pension vom Parlament streichen, schließlich braucht er sie nicht, hat er doch, nach eigener Aussage, eine gute Ausbildung genossen.
Auf persönliche Anfrage bei einer SPD-Veranstaltung in Braunschweig, hat der Bundestagsabgeordnete Dr. Karl Lauterbach (SPD) geantwortet, er wisse, dass es da Ungerechtigkeiten gebe. Die SPD hätte es gern geändert, aber die CDU wäre dagegen.
Die einzigen die uns zugehört haben, waren die Bundestagsabgeordneten Dr. Roy Kühne (CDU) aus Northeim sowie Matthias Birkwald (die Linken). Birkwalds Partei hat auch verschiedene Anträge im Bundestag eingereicht.

Hoffnungsvolle Grüße aus der Bergstadt Lautenthal
Martha Gollert

 

Marthas Beispiel lehrt wieder einmal, dass wir Bürger Politikern gründlich misstrauen sollten. Vor der Wahl versprechen sie uns das Blaue vom Himmel, danach wollen sie davon nichts mehr wissen. Das war bei Blüm so, bei Kohl, bei Merkel – und wird auch künftig so sein. Direktversicherte wurden erst angelockt, dann abgezockt. Deswegen wehren wir uns und bleiben lästig.

Bild: Deutscher Bundestag/Fotografin Simone M. Neumann