Krankenkassen

„Stiftung Warentest“ hat es geschafft, noch vor dem Inkrafttreten des GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetzes Anfang 2020 einen Rechner online zu stellen. Die Mehrheit der Krankenkassen hat es hingegen bis Oktober nicht geschafft, den reduzierten Beitrag zu berechnen. Offensichtlich sind die Krankenkassen mit der Digitalisierung überfordert.

Die Mehrheit der Krankenkassen hängt in punkto Umsetzung des GKV-Betriebsrentenfreibetragsgesetzes, das am 1. Januar 2020 in Kraft trat, hinterher, wie jetzt eine aktuelle Umfrage unter den 3900 Mitgliedern des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) ergab. Annähernd zwei Drittel hat die zu viel bezahlten Krankenkassenbeiträge noch nicht zurück bekommen; der Freibetrag von 159,25 Euro wird nur zögerlich und teilweise sogar fehlerhaft berücksichtigt.

Krankenkassen heillos überfordert

Offensichtlich sind die Krankenkassen mit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen heillos überfordert, wie anders ließe sich erklären, dass die Mehrheit ein Dreivierteljahr braucht, um den Freibetrag für ihre Mitglieder zu berechnen – und das auch noch richtig. Dabei hätten sie sich nur Rat bei „Stiftung Warentest“ holen müssen oder beim Industrie-Pension-Verein. Beide haben unabhängig voneinander entsprechende Beitragsrechner zur Kranken- und Pflegeversicherung für Betriebsrenten programmieren lassen, die sie online kostenlos zur Verfügung stellen. Die beiden Rechner unterscheiden auch zwischen monatlicher Rente und Kapitalauszahlung.

Selbst große Krankenkassen wie die Barmer schaffen es nicht, den Beitrag rechtzeitig und richtig zu berücksichtigen, wie der Fall von Erwin T. belegt. Erst Mitte Oktober erhielt das DVG-Mitglied seine Beitragsmitteilung – und die war dann falsch. Die Barmer errechnete für Erwin T. eine Gutschrift von 90,13 Euro und teilte ihm mit, er brauche den neuen September-Beitrag von 109,87 Euro im Oktober nicht zu zahlen. 90,13 plus 109,87 Euro ergibt 200 Euro. Tischler hatte aber mit 225 Euro gerechnet, so viel in etwa macht der Freibetrag aus. Seine Rechnung: 25 Euro monatlich bezogen auf neun Monate (die Barmer zieht ja am 15. des Folgemonats ein) ergibt 225 Euro. Auf seinen Anruf erklärte ihm „eine freundliche Dame genervt, dass sie schon mit 200 Mitgliedern gesprochen habe, die alle den Beitragsbescheid nicht verstanden haben“. Auf seinen Kontostand habe sich die Beitragsrückzahlung allerdings nicht ausgewirkt. Im Oktober sei der “alte” September-Beitrag abgebucht worden. Um die Verwirrung zu komplettieren, hat ihm die Barmer eine Gutschrift von 225 Euro überwiesen. Die tatsächlichen Abbuchungen habe zumindest mit dem Beitragsbescheid nicht überein gestimmt.

Regine K. erlebte mit ihrer AOK ein blaues Wunder. Erst als sie den Lastschrifteinzug kündigte, reagierte ihre Krankenkasse. Sie habe nach der Kündigung einen Anruf bekommen. Die Kasse fragte, ob sie nicht doch das Lastschriftverfahren beibehalten wolle, ihr Fall sei gestern durch den Computer berechnet worden. Die centgenaue Differenz sei bereits auf ihrem Konto als Gutschrift eingegangen. Ihre Erkenntnis aus diesem Fall: „Nicht nur beschweren, sondern den Geldhahn zudrehen. Hätte ich es nur eher gemacht!“

Hinhaltetaktik aus System

Jürgen T. wurde hingegen von der AOK Niedersachsen auf Ende des Jahres vertröstet. Die Software für die Berechnung des neuen Freibetrages wäre erst ab Juni zu realisieren, so die Auskunft der AOK Niedersachsen. Jürgen T. hakte Anfang Juni nach, dann noch einmal im Juli. Die Antwort der Kasse, er könne ja seine Einzugsermächtigung für August widerrufen und den neuen Beitrag bis zum Jahresende überweisen. Den neuen Beitragsbescheid erhalte er bis Oktober und die Gutschrift am Jahresende.

Marita R. war erstaunt, „dass die Zahlstellen der Krankenkassen offensichtlich nicht in der Lage sind, eine einfache Rechenaufgabe zu bewältigen.“ Sie bezweifelt allerdings, dass die Programmierung das Problem ist.

Allein diese wenige Beispiele zeigen, dass es laut knirscht im Gebälk der Krankenkassen. Manchen reagieren nur auf Druck, andere gar nicht oder pampig. Sie halten die Mitglieder hin und vertrösten sie von einem ums andere Mal und drücken sich vor der Umsetzung des Freibetrags, der bereits Ende vergangenen Jahres beschlossen wurde.

Entlastung durch Freibetrag

ab 1.1.2022bis 1.1.2020Entlastung
Kapitalauszahlung 50.00050.000
geteilt durch 120416,67416,67
minus Freibetrag 159,25252,170
Krankenvers. 14,6 % 36,8260,84
Zusatzbeitrag 1,5 %3.786.25
Pflegevers. 3,05 %12,7112,71
KV+PV monatlich53,3179,7926,48
KV+PV pro Jahr639,72
957.48317,76
KV+PV gesamte Laufzeit6.397,209574,803.176,60
Rest nach Abzug KV+PV 43.602,80

40.425,20
in Euro

Die Mechanik des Freibetrags:

  • Zuerst greift (wie bisher) die Freigrenze. Die Freigrenze umfasst neben Versorgungsbezügen z.B. auch Arbeitseinkommen, also Gewinne aus nebenberuflich selbstständiger Tätigkeit, z.B. aus Photovoltaik oder Nebenerwerbslandwirtschaft.
  • Wird die Freigrenze überschritten und entfällt daher, greift nur für Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ein Freibetrag, der genauso hoch ist, wie die bisherige Freigrenze (1/20 der monatliche Bezugsgröße nach § 18 SGB IV = 159,25 EUR für 2020). Der Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf monatliche beitragspflichtigen Betriebsrentenleistungen (bei Kapitalleistungen: 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag für maximal zehn Jahre).