rentenkonto

Seit vier Jahren bastelt die Bundesregierung an einem “Rentenkonto für alle” – herausgekommen ist nur heiße Luft. Auch sonst verweigert die Merkel-Regierung Rentenreformen.

Planlos, ratlos, mutlos – das zeichnet die Merkel-Regierung aus. Insbesondere bei der Altersvorsorge fährt die große Koalition seit Jahren auf Sicht, statt vorausschauend zu agieren. Was wie Hohn klingt, ist doch Regierungsrealität – ihren vier Jahre alten Plan eines „Rentenkontos für alle“ verkauft sie als großen Wurf und will damit Milliarden des Wiederaufbauplans der Europäischen Union (EU) abgreifen. „Statt einer schon lange angemahnten Rentenreform verweist die Bundesregierung in ihrem Wiederaufbauplan beispielsweise lediglich auf eine ‚digitale Rentenübersicht‘“, schreibt die „Welt“. Damit sollen die Menschen, so der Plan, einen „besseren Überblick über ihre dürftige Altersvorsorge behalten“.

Das klingt nicht nur wie eine Lachnummer, das ist eine Lachnummer. Was in anderen Nachbarländern, darunter Dänemark, längst Realität ist, ist hierzulande gerade erst geplant. Angeblich soll das Portal Ende 2023, als sechs Jahre nach Beginn der Planung, in Betrieb gehen.

Rentenkonto für alle?

Erst jetzt, Ende August 2020, hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes für eine säulenübergreifende Rentenübersicht verabschiedet. Mit dem  „Rentenkonto für alle“ sollen Verbraucher einen Überblick über ihre gesetzliche, betriebliche und private Alterssicherung erhalten. Ziel sei es, dass jeder auf einen Blick sehen könne, wie es um die eigene Absicherung im Alter steht. Was in anderen Ländern wie Dänemark längst selbstverständlich ist, soll in Deutschland erst Ende 2023 kommen. Dafür braucht’s in Deutschland Verordnungen und Gesetze – und sie sich so etwas liest, zeigt das „Gesetz zur Entwicklung und Einführung einer Digitalen Rentenübersicht (Rentenübersichtsgesetz – RentÜG). Die erste Betriebsphase soll, so der Plan, 21 Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beginnen und nach zwölf Monaten enden. Zwölf plus 21 = 33 Monat passiert erst einmal wenig. So sieht Digitalisierung in Deutschland aus. Seit April 2021 gibt es zumindest einen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Dabei schaffen es selbst große Versorgungswerke wie die Metallrente oder das Versorgungswerk der Presse bis heute nicht, ihre Mitglieder darüber zu informieren, was an Abzügen in der Rente auf sie zukommt. Wer seine Auszahlungsmitteilung bekommt, erhält, wenn er Glück hat, noch einen Hinweis darauf, dass Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen sind, nicht jedoch, wie viel das voraussichtlich sein wird. Das Versorgungswerk der Presse beispielsweise weist den Versicherten nur darauf hin, dass „aufgrund des Solidarprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung eine Beitragspflicht besteht“. Es helfe auch nichts, wenn „die Beiträge (während des Berufslebens) bereits aus sozialversicherungspflichtigen Einkünfte bezahlt wurden“. Dabei geht es nicht um einige Euros, sondern um Tausende.

Steuern und Sozialabgaben

Ob das in vier Jahren fertige „Rentenkonto für alle“ diese Minderung berücksichtigt? Vermutlich kaum. Was ist dann aber ein „Rentenkonto für alle“ wert? Die Antwort kann sich jeder selbst geben.

Zumindest der Rentenbescheid über die gesetzliche Rente berücksichtigt Kranken- und Pflegebeiträge, so dass jeder weiß, was netto vom Brutto übrigbleibt. Bei allen anderen Mitteilungen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge allerdings fehlt das bislang, was das Bild natürlich verfälscht. Teilweise müssen Privat- und Betriebsrenten zusätzlich versteuert werden, wie beispielsweise bei der Metallrente. Denn Rentnerinnen und Rentner müssen ihre Betriebsrente außerdem versteuern. Genau wie die gesetzliche Rente schrittweise steuerpflichtig wird, sind auch Betriebsrenten nach dem individuellen Steuersatz als Rentner/in steuerpflichtig. Zurzeit liegt der durchschnittliche Steuersatz im Rentenalter bei rund 15 Prozent. Der tatsächliche Steuersatz hängt indes von der individuellen Einkommens- und Vermögenssituation ab. Um die Netto-Betriebsrentenleistung zu bewerten, sollte deshalb auch abgeschätzt werden, wie hoch später der voraussichtliche Steuersatz individuell ausfallen wird und ab welchem Einkommen die geltenden Steuerfreibeträge voraussichtlich überschritten werden. Wie soll das ein „Rentenkonto für alle“ berücksichtigen?

Millionen an Steuergeldern

Im Juli 2020 hatte Heil (SPD) einen Gesetzentwurf für die digitale Rentenübersicht vorgelegt. Die zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht soll bei der Deutschen Rentenversicherung beheimatet sein und die Informationen aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Alterssicherung bündeln. Anschließend sollen diese, so der „Versicherungsbote“ über ein Online-Portal für Verbraucher bereitgestellt werden. Ab 2023 seien die Versicherungs- und Finanzbranche verpflichtet, entsprechende Informationen jedem einzelnen Kunden zu liefern. Für den Bau der digitale Renteninformation und die Startphase werde der Bund 18,6 Millionen Euro bis 2023 bereitstellen. Die Kosten für den laufenden Betrieb von 2024 an sollen bei rund 4,5 Millionen Euro pro Jahr liegen.

Der Dachverband der Verbraucherzentralen habe allerdings Bedenken angemeldet: Die Information könnte möglicherweise nicht unabhängig sein und Angst schüren, um der Versicherungs- und Finanzbranche als Verkaufsargument zu dienen.

Excel statt Rentenkonto

Aber zurück zum Rentenkonto. Dem deutschen Staat ist in punkto Altersvorsorge nicht zu trauen, das hat er bis lang mehrfach bewiesen. Eigeninitiative in punkto Rentenübersicht ist besser – und dafür gibt es ein einfaches Mittel: eine Excel-Tabelle. Jeder kann in diese Tabelle alle Daten selbst eintragen, Excel summiert die Zahlen auf. Wer diese Tabelle ständig aktualisiert, hat problemlos einen Überblick über seine Altersvorsorge. Ach ja, Excel. Das ist ein Tabellenkalkulationsprogramm von Microsoft – das zu lernen ist kein Zauberwerk. Viele Windows-Nutzer dürften vermutlich bereits Excel auf ihrem Rechner haben. Die Bundesregierung könnte jedem ein Exemplar schenken. Wie wäre es denn, wenn der Staat statt in ein Rentenkonto zu investieren, in Finanzwissen investieren würde, wie es ja schon seit langem von Wirtschaftlern gefordert wird? Bislang sind alle derartigen Vorstöße im Sande verlaufen – oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?

Gesetz soll durchgepeitscht werden

Wie die „Versicherungswirtschaft“ schreibt, soll das Gesetz „durchgepeitscht“ werden. Das Internetportal hat den Zeitplan recherchiert:

  • Bis 10. August 2020 Frist für die Stellungnahme der Verbände
  • August 2020 Virtuelle Anhörung auf Ministerialebene
  • August 2020 Beratung im Bundeskabinett
  • Ende 2020 Inkrafttreten am Tag nach der Verkündigung
  • Entwicklungsphase
  • Mitte 2022 Beginn der ersten freiwilligen Betriebsphase (21 Monate nach Inkrafttreten)
  • Ende 2023 Voraussichtlicher Pflichtbetrieb für die betroffenen Versorgungseinrichtungen mit angemessenen Übergangsfristen (Der Beginn des Pflichtbetriebs wird durch Rechtsverordnung später festgelegt).

Beamte sollen wieder einmal ausgenommen werden. Pensionszusagen, die regelmäßig von den Arbeitgebern verwaltet werden, die Beamtenversorgung und berufsständische Versorgungswerke sollen „Versicherungswirtschaft“ zufolge nicht in die digitale Rentenübersicht eingebunden.

Bild von Goumbik auf Pixabay