Wie Verdi seine Mitglieder verschaukelt

Die Mitglieder von Verdi sollen ausgerechnet bei zwei der ineffizientesten Versicherern eine betriebliche Altersvorsorge abschließen – da lohnt es sich, genau hinzuschauen, um nicht verschaukelt zu werden.

„Deutsche Betriebsrente“ klingt so offiziell – dabei steckt hinter dem Begriff eine Kooperation der Versicherer HDI/Talanx und Zurich Versicherung. Diese beiden wollen den Markt der betrieblichen Altersvorsorge abräumen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi spielt offensichtlich mit.

Bislang gibt es “Fonds Professionell” zufolge in der Praxis kein einziges Sozialpartnermodell (SPM), obwohl das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) bereits seit 2018 in Kraft ist. Weil sich kein anderes Unternehmen für dieses von Ex-SPD-Chefin, Ex-Bundesministerin für Arbeit und Soziales und heutiger Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, Andrea Nahles, erfundene Sozialpartnermodell im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes gefunden hat, springt Talanx selbst als Referenz ein, um die „Deutsche Betriebsrente“ anzuschieben. Die Talanx-Beschäftigten sollen Vorreiter spielen und werden von ihrem Arbeitgeber mit allen möglichen Vorteilen geködert. So bekommen sie den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss von 15 Prozent, ferner zahlt Talanx ihnen für jeden Euro Beitrag einen Zusatz-Sicherungsbeitrag, Geringverdiener bekommen eine zusätzliche Förderung. Ab 1. Juli 2021 steht den Beschäftigten der Talanx-Gruppe die „Deutsche Betriebsrente“ offen, so das Konsortium. Der Zurich-Chef Carsten Schildknecht sieht diesen Deal der „Versicherungswirtschaft heute“ zufolge als „bAV-Blaupause“.

Kostenquote der Lebensversicherer

 

Lebensversicherer Realistischer Zins Vergleich hist. Zins Abschlusskostenquote Verwaltungskostenquote Kosten gesamt
Direkt Leben2.74.410.32.312.6
Ergo2.34.46.94.111
HDI2.34.57.63.411
Nürnberger2.34.46.43.39.7
VPV2.34.36.63.19.7
Zurich Deutscher Herold2.35.05.72.98.6
Generali2.444.33.88.1
Iduna Vereinigte2.44.64.63.58.1
Familienfürsorge2.54.45.42.57.9
WWK2.45.54.82.87.6
Ideal2.44.74.03.47.4
Münchener Verein2.44.24.437.4
Condor2.44.24.72.67.3
Branchen-Maßstab2.44.54.72.57.2
Stuttgarter2.54.84.92.27.1
Ergo Direkt2.53.84.92.17.0
LV von 1871 2.44.44.62.36.9
Volkswohl Bund 2.44.44.31.96.2
Alte Leipziger 2.45.24.51.66.1
Allianz2.44.84.21.15.3
Huk-Coburg 2.74.43.51.85.3
Europa 2.64.33.80.84.6
CosmosDirekt 2.14.22.60.93.5
Stand: 2017

Kosten, die beim Vertragsabschluss zum Beispiel für Provisionen an den Vermittler anfallen, als Anteil an den Gesamtbeiträgen aller neuen Verträge (Mittelwert 2014 bis 2016); jährliche Verwaltungskosten, als Anteil an den Versicherungsbeiträgen (Mittelwert 2014 bis 2016)   Quelle: Wirtschaftswoche | Softfair Analyse GmbH, Professor Jörg Finsinger

Was sagt Verdi dazu?

Was sagt Verdi dazu? Die Beschäftigten bekämen eine „reine Beitragszusage“ – mehr aber schon nicht. Das heißt, sie können sich nur darauf verlassen, dass sie zumindest nach dem „Kopfkissenprinzip“ das eingezahlte Geld herausbekommen. Ansonsten können sie nur hoffen, dass der Versicherer das Geld am Aktienmarkt vermehrt, Garantie dafür gibt’s keine. Das sagt Verdi seinen Mitgliedern nur verklausuliert: „Sicherheit kann auch durch neue, die Volatilität des Versorgungsvermögens abmildernde und durch Sicherungsbeiträge der Arbeitgeber finanzierte Puffer-Mechanismen erreicht werden.“

Die Nahles-Betriebsrente gibt’s nur für Beschäftigte in Unternehmen mit Tarif – alle anderen bleiben außen vor. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz schreibt vor, „dass sich die Tarifvertragsparteien an der Durchführung und Steuerung des Sozialpartnermodells beteiligen müssen“, wie Verdi erklärt. Gut für Versicherer und Gewerkschaften, schlecht für Beschäftigte.

Mitglieder verschaukelt

Verdi glaubt immer noch an das Märchen, dass „ein Sozialpartnermodell dauerhaft nur dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn große Versicherungskollektive entstehen, denn dann können durch Skaleneffekte niedrige Kosten realisiert werden“. Mit Talanx und Zurich hat sich Verdi aber ausgerechnet die Versicherungsunternehmen mit vergleichsweise hohen Abschluss- und Verwaltungskosten ausgesucht. Für jeden, der rechnen kann, dürfte klar sein, dass hohe Kosten die Rendite auffressen. Mit diesem Deal hat Verdi ihren Mitgliedern einen Bärendienst erwiesen.

Es dürfte jedem klar sein, dass Talanx mit seiner „Deutschen Betriebsrente“ im eigenen Konzern einen Türöffner entwickelt hat. Damit wollen sie auch andere Verdi-Unternehmen und natürlich Verdi-Mitglieder ködern. Wie schreibt Verdi so schön: „Das Sozialpartnermodell bei der Talanx soll daher in der Folge nicht nur für die eigenen Beschäftigten im Konzern umgesetzt werden, sondern ist ein Angebot an andere Arbeitgeber und Branchen, über entsprechende Tarifverträge dem Sozialpartnermodell beizutreten.“

Die Verdi-Rente soll ähnlich funktionieren wie die Metallrente: „Arbeitgeber und Gewerkschaft beauftragen die ‚Deutsche Betriebsrente‘ (das Konsortium aus HDI/Talanx und Zurich Versicherung) mit der Durchführung der Altersvorsorge als reine Beitragszusage.“ Umgesetzt werden soll das Modell der Entgeltumwandlung über eine klassische Direktversicherung mit Garantien oder über das Sozialpartnermodell.

Geringe Kosten?

Verdi verspricht einen „geringen Kostensatz bei „den beitragsbezogenen Abschluss- und Verwaltungskosten“. Aber „gering“ ist relativ, wie der Vergleich der Abschluss- und Verwaltungskosten zeigt.

Immerhin hat Verdi erkannt, dass nur eine „breite Arbeitgeberbeteiligung oberhalb der gesetzlich verpflichtenden Weitergabe der Sozialversicherungsersparnis bei der Entgeltumwandlung“ die „Grundlage ist für eine gute betriebliche Altersvorsorge“. Allein aus der Entgeltumwandlung der Beschäftigten lasse sich keine Leistung aus der betrieblichen Altersvorsorge aufbauen, die als „Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung den Lebensstandard im Alter sichert“. Auf gut Deutsch – der Arbeitgeber muss mehr als die 15 Prozent zur betrieblichen Altersvorsorge dazuzahlen, sonst wird das nichts mit einem auskömmlichen Einkommen im Alter.

Die „Deutsche Betriebsrente“ ist eine Todgeburt und fördert nur das Geschäft von HDI/Talanx und Zurich Versicherung. Wann endlich wollen die Gewerkschaften lernen, dass das der falsche Weg ist. Warum sich nicht ein Beispiel nehmen an den Schweden mit ihre AP7, der mit deutlich niedrigeren Kosten wirtschaftet?

Wenn Verdi glaubhaft etwas für seine Mitglieder anbieten will, dann muss die Dienstleistungsgewerkschaft die Kosten einer solchen Lösung offenlegen. Der Verweis auf „gering“ reicht nicht. Was Verdi ihren Mitgliedern geflissentlich verschweigt: In der Auszahlungsphase hält die Krankenkasse bei Direktversicherungen die Hand auf und verlangt annähernd 20 Prozent der ausbezahlten Summe – das bisschen Freibetrag lindert den Schmerz über diesen Verlust nur wenig.

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